Historiker Landwehr referiert über Hollage während der NS-Zeit

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Als der Bürgermeister den Arm nicht hochbekam

Bericht der Neuen Osnabrücker Zeitung vom 23.10.2010:

Die tiefe Verwurzelung im katholischen Glauben hat dafür gesorgt, dass die Hollager Bevölkerung in ihrer großen Mehrzahl der Ideologie des Nationalsozialismus nicht folgte. Das ist die zentrale Aussage eines Vortrags, den der Hollager Historiker Franz-Josef Landwehr im überfüllten Heimathaus Hollager Hof hielt. Er hatte dazu Archive durchforstet und Zeitzeugen befragt.

Bei der Reichstagswahl im September 1930 stimmten in ganz Deutschland bereits 19,3 Prozent für die NSDAP, in Hollage dagegen nur 3,6 Prozent, aber 91,6 Prozent für die katholische Zentrumspartei. Bis zu den letzten halbwegs freien Wahlen im März 1933 änderte sich daran wenig: Die Zustimmung für die NSDAP blieb unter 5 Prozent, das Zentrum behielt deutlich über 80 Prozent.
Gleichschaltende Zwangsmaßnahmen gingen naturgemäß nicht an Hollage vorbei. Der Beitritt zur Hitler-Jugend wurde zur Pflicht. In Hollage fand sich aber kein Unterführer, der die Hollager Schar hätte befehligen wollen. So wurde einer aus Osnabrück abkommandiert, der regelmäßig mit dem Fahrrad kam. Er war so unbeliebt, dass die Hollager Jungen ihm die Luft aus den Reifen ließen.

Ähnliche Zeichen des Widerstands entdeckte Landwehr beim Umgang mit Beflaggungsvorschriften. Als 1936 das neue Schulgebäude eingeweiht wurde – heute der Altbau der Erich-Kästner-Grundschule –, hing die obligatorische Reichsflagge mit dem Hakenkreuz nur halb entfaltet wie ein schlaffer Sack vor dem Rednerpult. „Und als wenn das nicht schon genug der Missachtung gewesen wäre, kriegte auch Bürgermeister Josef Rust den rechten Arm zum deutschen Gruß nicht richtig hoch“, merkte Landwehr an. Postwendend gab es eine Rüge der Partei. Der Gemeindevorstand redete sich damit heraus, „dass wohl der Wind die Flagge etwas verrutscht habe“. Wenn später die Hollager Lehrer der NSDAP beitraten, so sei das die Folge von Erpressung gewesen: „Wer sich nicht beugte, der kam nach Poschloschen“, so habe der Volksmund die Strafversetzung nach Ostpreußen bezeichnet.

Landwehr lieferte weitere Beispiele passiven Widerstands, die spontan aus dem Auditorium bestätigt wurden. „Ich habe selber die Zündleitung durchgekniffen“, bekannte ein Zuhörer seine stille Sabotage, als kurz vor dem Einmarsch der Engländer die Kanalbrücken gesprengt werden sollten.