nachdenklich in Esterwegen

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Tagesausflug der Dienstagsgruppe nach Esterwegen

Es ist 09:00 Uhr an der Weltkugel in Hollage. Es wird ein heißer Tag werden. 48 Ausflügler der Dienstagsgruppe sitzen schon im klimatisierten Bus. Ziel ist Esterwegen im Emsland, die diesjährige Tagestour des Heimat-, Kultur- und Wandervereins. Es werden Wasserflaschen verteilt, keiner soll dehydrieren.

Alfons Schröer begrüßt besonders Pastor Carsten Heyer, der mit an Bord ist, weil wir auch das Dorf Vrees, sein Heimat-Dorf ansteuern wollen. Alfons erläutert den Tagesablauf und nimmt die Bestellungen für das Mittagessen entgegen. Gegen 10:30 Uhr treffen wir in der Gedenkstätte Esterwegen ein.

In einer ersten Informationsrunde erfahren wir, dass die Gedenkstätte am Ort des ehemaligen Konzentrationslagers Esterwegen für alle 15 Gefangenenlager steht, die zwischen 1933 und 1945  im Emsland errichtet wurden. Als Teil des Systems von SS, Justiz und Wehrmacht waren sie alle Orte des NS-Terrors. Unmittelbar nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 wurden Gegner und Kritiker des NS-Regimes hier inhaftiert und unter unmenschlichen Bedingungen durch Arbeit in den Mooren ausgebeutet und gebrochen. Etwa 80.000 Inhaftierte litten in allen Emslandlagern, später kamen noch mehr als 100.000 Kriegsgefangene dazu. Über 20.000 Menschen überlebten die Torturen nicht und starben infolge Krankheit und Auszehrung oder wurden auf der Flucht erschossen.

In zwei Gruppen aufgeteilt besuchen wir dann die Ausstellung mit vielen Bildern, Texten und Exponaten und wechseln dann geführt auf das ehemalige Lagergelände, wo wir aufschlussreiche Einblicke bekommen, die allesamt nachdenklich machen. Die Häftlingsbaracken sind heute alle abgerissen und durch Bäume an deren Stelle ersetzt. Es gibt noch die 500m lange Lagerstraße aber Tore, Mauern und Wachttürme sind durch Symbole ersetzt. Ganz bewusst ist nichts rekonstruiert worden. Man will sich erinnern, gedenken und jede Effekthascherei vermeiden. Unsere Fragen werden sehr kompetent beantwortet, aber die Zeit ist viel zu kurz, wir müssen noch mal „privat“ wiederkommen.

Anschließend geht es ein paar Meter weiter ins Kloster, eine sehr moderne kirchliche Einrichtung, die so gar nicht den üblichen Vorstellungen von  Klöstern entspricht. Es ist alles sehr überschaubar und es gibt einen Gedenkraum, einen Raum der Sprachlosigkeit und eine kleine Kapelle.

Betreut wird das Kloster vom Konvent der Mauritzer Franziskanerinnen und es ist immer eine Nonne da, mit der man sprechen kann. Wir werden von der anwesenden Nonne durch die Räume geleitet und bekommen Einblicke in deren Erlebniswelt hier in Esterwegen. Wir versuchen in dieser Atmosphäre – jeder für sich – die Eindrücke des Vormittags zu verarbeiten.

Mit dem Bus geht es dann weiter zum Mittagessen zum Hotel-Restaurant „Graf Balduin“. Schwierig genug ist es, trotz Vorbestellung in 60 Minuten 48 hungrige Gäste zu versorgen, aber es klappt mit minimalen Verlusten. Alles ist sehr lecker.

Nach dem Mittagessen steht ein Besuch in Vrees an, ein Emslanddorf mit 1.800 Einwohnern, dem Geburtsort von Pastor Carsten Heyer. Hier ist die Welt noch in Ordnung. 800 Arbeitsplätze bietet der Ort, die Gemeinschaft stimmt und vieles scheint vorbildlich geregelt. Entsprechende Auszeichnungen hat das Dorf auf europäischer Ebene bereits erhalten. Wir sehen den Schafstall für 500 Tiere (die Schafe sind leider gerade nicht zu Hause), die Stelle, an dem der neue Aussichtsturm demnächst wieder aufgebaut wird, den Moor-Lehrpfad, nagelneue Alten-Wohneinrichtungen und eine Bildungseinrichtung, die sich mit Umweltfragen und Nachhaltigkeit befasst und Kinder und ganze Schulklassen an diese Themen heranführt.

Danach geht es ins Heimathaus von Vrees, welches größer ist als unser Hollager Hof, aber ähnlich wieder aufgebaut wurde. Dort wartet leckerer, selbst gebackener Kuchen und Kaffee auf uns, und der Bürgermeister des Ortes berichtet Wissenswertes und Interessantes aus dem Dorfleben.

Eine Abwanderung der jungen Leute gibt es hier nicht (mal abgesehen von Pastor Heyer). Die Einwohnerzahl wächst beständig und jährlich verkauft die Gemeinde ca. 25 neue Bauplätze an junge Familien. Die Grundstückspreise liegen bei ca. 40 € je m². Es gibt ein aktuelles Projekt zur Altenpflege, damit alle möglichst lange in den eigenen 4 Wänden leben können.

Nach Kaffee und Kuchen schlendern wir rüber in die Kirche, deren Geschichte uns Pastor Heyer erläutert. Der Kirchenraum ist hell und lichtdurchflutet. Wir singen gemeinsam ein Kirchenlied, stellen uns für eine Gruppenaufnahme in der Kirche auf  und machen uns dann langsam auf den Weg durch Pastors Garten (sehenswert)  zu unserem Bus. 90 Minuten später stehen wir wieder auf Hollager Grund. Ein heißer, interessanter, nachdenklicher, genussreicher und schöner Ausflug im Wonnemonat Mai.

Alfons Schröer merkt in seiner unverwechselbaren Art an: „Ihr seid mal wieder das beste Publikum des heutigen Dienstags gewesen“.  Danke sagen wir…  und spenden Beifall.    makuru