Name „Am Pingelstrang“ lässt verschiedene Erklärungen zu

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War es das „Pingeln“   der Kirchenglocken?

jod WALLENHORST
Vor einer Woche haben wir an dieser Stelle den weitverbreiteten Erklärungsansatz für den  putzigen Straßennamen „Am  Pingelstrang“ vorgestellt. Danach geht der Name auf den  Schmied Gausmann zurück,  der im 19. Jahrhundert hauptberuflich im Piesberg für das  Beschlagen der dort zahlreich  eingesetzten  Arbeitspferde  zuständig war. Wenn er dort  Feierabend  gemacht  hatte  und wieder auf sein Anwesen  im Bereich des heutigen Pingelstrangs   zurückgekehrt war, deutete er durch ein Glöckchen an, dass er nun für die Bewohner in der Nachbarschaft mit all ihren kleinen Schlosseraufträgen ansprechbar war.

Doch es spricht einiges gegen diese volkstümliche Version, meinen Franz-Joseph Hawighorst und Andreas Albers. Beide sind Mitautoren der Ortschronik „1150 Jahre Wallenhorst“ und wissen, wovon sie reden. Sie haben die Ortsbezeichnung „Auf dem Pingelstrang“ im 1784 bis 1790 erteilten Kartenwerk des Landvermessers Johann Wilhelm Du Plat entdeckt. Du Plat ließ alteingesessene Bewohner nach den überlieferten Namen von Flurstücken befragen und machte sie durch die Aufnahme in sein Kartenwerk sozusagen amtlich. Man darf also davon ausgehen, so die Historiker, dass der Ortsname reichlich hundert Jahre vor jenem Schmied Gausmann schon von alters her von Generation zu Generation weitergegeben worden war.

Im niederdeutschen Sprachgebrauch wurde mit dem Begriff Strang ein langes schmales Grundstück bezeichnet. In alten Büchern des Hofes Wellmann findet sich das Flurstück  „Auf dem Pingelstrang“. Es lag zwischen der heutigen Talstraße und der heutigen Johannisstraße. Der Name weist auf eine Anhöhe hin. Wenn die Bewohner von Brockhausen und von der „Hohlen Lage“ im Taleinschnitt südlich des später so benannten Hollager Bergs  sonntags zur Kirche gingen,  kamen sie auf dem „Hollager Kirchweg“, der dem Verlauf der heutigen Talstraße entspricht, an diesem Grundstück auf der Anhöhe vorbei. Es könnte der erste Punkt auf ihrem Weg gewesen sein, von dem aus man das Glockengeläut der (Alten) Alexanderkirclie hören konnte.

Die Entfernung von diesem Punkt bis zur Kirche beträgt in der Luftlinie etwa 2,2 Kilometer. „Auf diese Distanz wird das Geläut gut hörbar gewesen sein, zumal in früheren Jahrhunderten die heutige Geräuschkulisse durch den Straßenverkehr nicht vorhanden war“, meint Hawighorst. Dass dieser Punkt der Hör-Reichweite unseren Vorfahren so wichtig war, dass er sich in einer Flurbezeichnung niederschlug, erklärt er mit dem viel höheren Stellenwert des Glockenschlags in früheren Jahrhunderten, der weit über die Einladung zum Gottesdienst hinausging. Als die Menschen noch keine Armbanduhren kannten und die ersten Taschenuhren unerschwinglich teuer waren, gab der Glockenschlag ihrem Alltag Struktur. Das Angelusläuten am Morgen um 6 Uhr, um 12 Uhr in der Mittagszeit und um 18 Uhr des Abends war mehr als nur ein Gebetsaufruf, es war für die Menschen auch die Information „es ist Mittag“ und damit Zeit, die Feldarbeit zu unterbrechen, oder „es ist Feierabend“. Die Alte  Alexanderkirche trägt nachweislich seit 1516 Glocken. Somit könnte der Begriff „Pingelstrang“ auf das frühe 16. Jahrhundert zurückgehen.

von Joachim Dierks

Quelle: NOZ vom 11.7.2014