Schicht im Schacht

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Nachdem die letzte Busfahrt mangels Beteiligung leider ausfallen musste, findet heute ein neuer  Anlauf in Hollage statt. Als ich auf den Kästner Platz und die Weltkugel zustrebe, merke ich erleichtert, ich bin heute nicht allein. Wohl zehn Teilnehmer warten schon auf mich und in den folgenden Minuten stoßen weitere 10 hinzu. Also…. geht doch!

Andererseits gingen in den besseren Zeiten vor Corona durchaus zwischen 40 und 50 Teilnehmer auf Tour und wenn es mal nur 32 waren, gab es ein Stirnrunzeln der Veranstalter und die nachdenkliche Frage, ob es wohl am Programmpunkt lag.

Fakt ist jedoch, je weniger mit dabei sind, um so höher fallen die Fixkosten für den Einzelnen aus. Eine Spirale, die sich selbst treibt. Deshalb an dieser Stelle ein Appell an alle, die eher zögerlich unterwegs sind: Schmiedet das Eisen, solange es heiß ist… oder nutzt die Chancen, solange es geht. Nicht nur Vereinsmitglieder, jeder kann mitfahren!

Heute geht es nach Damme. Der Bus bringt uns direkt vor die Tore des 1967 aufgegebenen Erzbergwerkes, von dem ich selbst im Traum nicht geahnt hätte, das es so etwas in Damme je gegeben hat. Bergwerksführer Bernhard Meyer von der Dammer Touristik begrüßt uns in herzlicher Art in seiner Paradeuniform und füttert uns zunächst im ehemaligen Verwaltungsgebäude mit interessanten Fakten. Wir sitzen auf altem Kirchengestühl.

Nach kurzer Exkursion in die uralte Erdgeschichte mit ihren vielfältigen Verwerfungen und Ablagerungen erfahren wir, dass erste Gesteinsbohrungen bereits im auslaufenden 19. Jahrhundert gemacht wurden. Man fand zwar keine Kohle, stieß jedoch auf nennenswerte Erzvorkommen. Durch den 1. Weltkrieg und die folgende Wirtschaftskrise gerieten diese Erkenntnisse in den Hintergrund. Erst die Nationalsozialisten nahmen den Erzbergbau unter ihre Fittiche und bauten das Bergwerk in Damme und die Schwester-Zeche in Porta auf. Sie brauchten Eisen für ihre Kriegsführung und so begann 1939 der Erzabbau in Damme, der in diesen unterentwickelten, von Land- und Heuerwirtschaft geprägten Landstrich Arbeitsplätze und Perspektiven brachte.

Nach dem Krieg sorgte der Erzbergbau mit bis zu 1.000 Arbeitsplätzen für eine rege Beteiligung am Nachkriegs-Wirtschaftswunder, bis Mitte der 60er Jahre die Erkenntnis Platz griff, dass Eisenerz viel preiswerter aus Südamerika und Afrika importiert werden konnte. Am 31.03.1967 fuhr in Damme dann die letzte Schicht aus.

Es folgen weitere kurze Einblicke in den Ausstellungsraum mit seinen großformatigen Bildern vergangener Zeiten. Zu allen Exponaten weiß Bernhard Meyer Passendes zu berichten. Er lüftet auch das Geheimnis seiner prächtigen Montur. Er trägt den Paradeanzug der Bergmannskapelle, die in den 60ern im Einsatz war. Die Kumpels waren natürlich deutlich weniger hübsch gekleidet.

Dann geht es in den Untergrund. In der kleinen Waschkaue, in der die Bergleute sich umzogen und nach der Schicht gewaschen haben, stülpt sich jeder einen weißen Schutzhelm auf den Kopf. Vor dem Stollen singen wir zunächst zwei Strophen des Bergmannsliedes „Der Steiger kommt,…“

Bernhard Meyer lobt unseren kernigen Gesang aus 21 Kehlen und wir dürfen rein. Die Gänge sind niedrig. Der Chronist hätte sich als Bergmann ständig den Kopf gestoßen, wäre also unter Tage und auf U-Booten nicht zu gebrauchen gewesen. An der Stelle, an der die Bergleute damals in den dreistöckigen Förderkorb stiegen, der übrigens 24 Personen fasste, ist für uns Schluss. Der 210 m tiefe Förderschacht ist mittlerweile verfüllt.

Wir kehren zurück an das Tageslicht und begeben uns im Sonnenschein zum Förderturm 2, der als Zeitzeuge noch erhalten ist. Er diente dem Materialtransport nach oben und zur Verladung der Loren. Eine steile Treppe außen am Turm und noch steilere Treppen im Inneren bringen uns auf die Aussichtsplattform. Alles hier oben ist alt. Hätte die Spedition Paul Schockemöhle, der das ganze Areal mittlerweile gehört, sich nicht spendabel gezeigt und eine Außentreppe installieren lassen, niemand hätte hier oben jemals wieder einen Fuß hinsetzen können. Leider sind fast alle technischen Geräte total vergammelt oder vor Zeiten demontiert  worden.

Der Ausblick auf das gesamte ehemalige Zechen Areal versöhnt uns. Vieles hat sich die Natur bereits zurück erobert. Auffallend sind die riesigen Photovoltaik-Flächen auf den Dächern der Gebäude. Schockemöhle weiß offensichtlich wie man Energie und Geld macht.

Wir verabschieden uns von unserem kundigen und freundlichen Touristenführer Meyer. Er wird zum Jahresende seinen Job aufgeben, sagt er, schließlich hat er in seinen Kindertagen schon auf dem Zechengelände gern gespielt.

Unser Bus bringt uns wieder zurück nach Hollage, zum Mittagessen im Gasthaus Barlag.