Hollage zwischen 1930 und 1945: Die konnten hier nicht Fuß fassen

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Es war ebenso erfreulich wie überraschend, dass sich zur „Geschichtsstunde“ mit dem Historiker Franz-Josef Landwehr so viele interessierte Besucher im Heimathaus „Hollager Hof“ eingefunden hatten. Thema: „Es wurde keiner verraten“, „Hollage zwischen 1930 und 1945 im Spiegel von Zahlen und Zeitzeugen“.

Franz-Josef Landwehr zeigte zunächst auf, wie alles begonnen hat. Bei der Reichstagswahl 1930 erhielt die NSDAP deutschlandweit bereits 18,3 % der Stimmen. In Hollage waren es nur 3,6 %, die Hollager wählten mit 91,6 % die Zentrumspartei. Die Reichstagwahlen am 05. März 1933 – die letzten freien Wahlen- ergaben ein ähnliches Wahlergebnis in Hollage: Zentrum 87,44 %, NSDAP 3,44 %, SPD 6,06 % und KPD 3,03 %. Aber der gewaltige Einschüchterungswahlkampf zu dieser Reichstagswahl zeitigte für die NSDAP „Im Reich“ bereits eine Zustimmung von 43,9 %. Bei der Volksbefragung am 19. August 1934 stimmten reichsweit bereits 84 % für „den Führer“. Im Landkreis Osnabrück waren es 83,6 %. Das Hollager Ergebnis von 41,4 %, war für die braunen Machthaber das Schlechteste im Landkreis und wurde im Lagebericht der Gestapo vom 04. Sept. 1934 thematisiert und analysiert.

Konfessionelle Vereine und Organisationen wurden eingeschränkt und verboten. Per Gesetz wurde am 01. Dezember 1936 bestimmt, dass die gesamte deutsche Jugend in der Hitlerjugend zusammen gefasst werden sollte. So auch in Hollage. Zeitzeugen berichten, dass anfänglich keiner so recht mitmachen wollte. Zunehmender Druck brachte dann eine Gruppe zustande. Wer dort nicht mitmachte und die Inhalte nicht lernte, wurde nicht zur Gesellenprüfung zugelassen. Einen HJ-Leiter hat es aus Hollage allerdings nicht gegeben.

Die Einwohner von Hollage waren zu fast 100 % katholisch. Die Gottesdienste am Sonntag waren voll, der Anteil der Kirchgänger lag im Schnitt bei 75 %. In der Zeit vom 01. Mai 1936 bis zu seinem Tode am 21. 09. 1941 hatte die Gemeinde mit Aloys Boecker einen sehr starken und unerschrockenen Pastor, der sehr beliebt war und äußerst erfolg- und segensreich in Hollage wirkte. Seine Ablehnung des Nationalsozialismus verheimlichte er nicht. Seine Predigten waren den Nationalsozialisten ein Dorn im Auge. Aloys Boecker lag im Visier der Gestapo. Bei etwaigen Spitzeln in der Kirche wurde der Pastor gewarnt und seine Predigt fiel dann entsprechend anders aus.

Pastor Boecker war bereits während seiner Amtszeit in Schleswig-Holstein das erste Mal verhaftet worden. Während eines Gottesdienstes in Hamburg wurde er von SA-Leuten vom Altar gerissen, durch die Friedrichstraße getrieben und zusammen geschlagen. Gleichzeitig war er Vertrauter und Mentor des Märtyrers Johannes Prassek, einem der Lübecker Kapläne.
Fazit des Historikers Franz-Josef Landwehr: Auch Hollage konnte sich der staatlichen Durchdringung durch Zwangsmaßnahmen der Nazis nicht entziehen. Überwiegend resistent blieb man allerdings gegen die angestrebte geistig- kulturelle Hegemonie der Nazis. „Die konnten hier nicht Fuß fassen“, so die Aussage eines Zeitzeugen.

Die Besucher aus allen Teilen der Großgemeinde, die den faktenreichen und ausgewogenen Ausführungen mit wachem Interesse gefolgt waren, bedankten sich mit lang andauerndem Beifall. Verbunden mit dem Wunsch nach einer weiteren „Geschichtsstunde“ im nächsten Jahr. 

S.Wu

s.a NOZ v. 23.10.2010