Die Mühlenstraße ist nach der Lechtinger Windmühle benannt

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Mit 78 Jahren noch Mühlenbauer

jod WALLENHORST
Gleich zwei Straßen verweisen in Lechtingen auf die Lechtinger Windmühle, so könnte man meinen, zumal beide Straßen sich auch in unmittelbarer Nachbarschaft befinden. Auf die Mühlenstraße trifft die Vermutung zu, auf die sich östlich anschließende Straße „Mühlenheide“ aber nicht. Doch das ist ein anderes Kapitel, das einer späteren „Straßenkunde“ vorbehalten bleibt.

Die Mühlenstraße verbindet den neuzeitlichen Siedlungskern Lechtingens mit der Windmühle, die 1887 von Johann Rudolf Pagenstecher gebaut und 1970 von der letzten Eigentümerfamilie Kreuzkamp-Dallmöller stillgelegt wurde. Nach fünfjähriger Renovierung durch Ehrenamtliche des Vereins „Windmühle Lechtingen“ drehen sich seit September 1987 hier wieder die Mühlenflügel. Die Mühle und der Mühlenverein sind feste Bestandteile des Wallenhorster Kulturlebens geworden, die Mühle ein Wahrzeichen des Ortsteils Lechtingen. Die Bezeichnung „Mühlenstraße“ ist für ortsunkundige Besucher der Mühle ein guter Wegweiser, wenn sie nicht sowieso schon von Weitem die Mühlenflügel gesehen haben.

Die Mühlenstraße war in ihrem westlichen Abschnitt jahrhundertelang Teil einer West-Ost-Verbindung von Pye bis zur Lechtinger Urbesiedlung, dem „Bock Garen“ (Buchgarten). Dieser Weg hörte an der heutigen Kreuzung mit dem Lechtinger Kirchweg beziehungsweise dem Buchgarten auf. Der zweite Abschnitt der heutigen Mühlenstraße führt östlich dieser Kreuzung durch das Ackerland des „Bock Garen“ zur Windmühle und dann bis zum Brammenweg. Wallenhorst kann sich rühmen, mit dem „Bock Garen“ ein einzigartiges Siedlungs- und Landschaftsensemble zu besitzen, das die Zustände der sächsischen Zeit erkennen lässt.

Johann Rudolf Pagenstecher (1808-1891) hat hier im 19. Jahrhundert Eingriffe vorgenommen. Er erwarb 1836 den Vollerbenhof Willewisch, der an den wertvollen Eschflächen des Bock Garen beteiligt war. Anschließend kaufte er Nachbarflächen und arrondierte seinen Besitz durch Tausch. Als 1886 der Bau der Mühle genehmigt wurde, ist in den Plänen bereits ein Weg eingetragen, der die alte Feldflur teilt und als „Lechtinger Feldweg“ einen Anschluss an den Brammenweg darstellt. „Ohne Pagenstechers Aktivitäten würde die Mühlenstraße heute am Lechtinger Kirchweg enden, sie hätte aber einen anderen Namen“, schlussfolgert der Historiker Franz-Joseph Hawighorst.

Pagenstecher hat die Windmühle selbst nie als Müller betrieben. Warum hat er sie dann gebaut, dazu noch im hohen Alter von 78 Jahren? Er hatte ein erfolgreiches Leben als Bergmeister des Piesbergs, als Zementfabrikant und als Hofbesitzer  geführt. Auch wenn der „lutherische“ Pagenstecher bei den katholischen  Grundbesitzern anfangs nicht gerne gesehen war, verschaffte er sich mit der Zeit doch Respekt. Mithilfe seiner geologischen Kenntnisse, des Studiums wissenschaftlicher Fachschriften und eigener praktischer Erfahrungen konnte er vielen Hofbesitzern mit Rat und Tat beistehen.

Zusammen mit seinem Hofnachbarn Mosting zog er über die Dörfer, gründete landwirtschaftliche Vereine und hielt Vorträge über  neue Wege zur Intensivierung  der Landwirtschaft. Er hatte  viele seiner Zechenarbeiter  ermuntert, sich in Lechtingen  als „Neubauern“ zum Nebenerwerb niederzulassen. Für  diese kleinen landwirtschaftlichen Betriebe waren die Mühlen im Nettetal und in Hollage schwer zu erreichen.  Deshalb entschloss sich Pagenstecher zum Bau einer Windmühle.

von Joachim Dierks

Quelle: NOZ vom 10.4.2015