Von Hollage bis in die Ukraine

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Vor 100 Jahren: Mittellandkanal Anlass für Schlägereien im Reichstag

Wallenhorst (iza)

Heftig rangen die Abgeordneten im Reichstag, als 1905 die Entscheidung über den Bau des Mittellandkanals anstand. Letztlich sprach sich eine Mehrheit für den Schifffahrtsweg aus, der damit in diesem Jahr 100. Geburtstag feiert. Zum Jubiläum referierte Günter Bergmeier, Leiter des Außenbezirks Bramsche des Wasser- und Schifffahrtsamtes Minden, im Heimathaus „Hollager Hof“.

„Mittelland-Kanaillen“ wurden die Befürworter des Baus beschimpft, „Kanalrebellen“ gaben diese zurück, als der Reichstag das Thema diskutierte. Lobbyisten der Industrie drängten damals auf die Einrichtung der Wasserstraße, die konservativen, Land besitzenden Junker fürchteten die Konkurrenz von Getreide und Holz aus Übersee. „Die Meinungsverschiedenheiten wurden so erbittert geführt, dass es im ehrwürdigen Reichstag zu Schlägereien kam“, berichtete Bergmeier.

Trotz allem wurde der Kanal gebaut und 1938 mit dem letzten Teilstück nach Magdeburg fertig gestellt. Heute führt er vom Dortmund-Ems-Kanal bei Hörstel bis zur Elbe – 320 Kilometer lang und fest in das europäische Wasserstraßennetz eingebunden. „Wer in Hollage ein Schiff besteigt, kann über dieses Verbundsystem aus Flüssen und Kanälen bis in die ukrainische Hauptstadt Kiew gelangen“, erklärte Bergmeier. Das sei die Verwirklichung eines Traumes, dem Fürsten und Ingenieure schon im 16.Jahrhundert nachgehangen hätten: Handelslinien von West nach Ost über Wasserwege des Binnenlandes.

Der Mittellandkanal wird mit Wasser aus der Weser gespeist. „Weil das nicht ausreicht, wurden beim Bau zeitgleich zwei Stauseen angelegt, die im Winter Wasser aufstauen und im Sommer die Weser auffüllen helfen“, sagte er. Durch Versickerung, Verdunstung und Schleusenverluste benötigt der Kanal jährlich 250 Millionen Kubikmeter Wasser.

Seit 30 Jahren ist Bergmeier Leiter des Außenbezirkes Bramsche. In den Zuständigkeitsbereich fallen 57 Kilometer Kanal mit 34 Kilometern Dammstrecke, drei Sicherheitssperrwerke, acht Liegehäfen und 51 Brücken. Auf dem Teilstück werden von 24 000 Schiffen 15 Millionen Tonnen Güter pro Jahr transportiert. „Damit zeigt sich, dass der Kanal zu Recht angelegt worden ist.“ Rund ein Viertel der Industrie und der Arbeitsplätze Niedersachsens sind an seinen Ufern und denen der Stichkanäle angesiedelt.

Von diesen gibt es vier in seinem Verlauf. Zum Stichkanal Osnabrück und dem Ausbau der Schleusen, des Wasserweges und des Hafens gab der Bramscher den Rat „ausbauen oder zuschütten „. Nur mit gewaltigen Investitionen sei es möglich, dass die großen Europaschiffe mit 110 Meter Länge, 11,40 Meter Breite und 2,80 Meter Tiefgang den Hafen anlaufen könnten.

Quelle: NOZ 2005