Heimatdorf gefährdet? Anlieger haben Bedenken

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Bewohner des alten Dorfes: Jugendliche bringen Krach und Krawall

Wallenhorst. Überraschungen barg die Bürgerversammlung zum Projekt „Heimatdorf“ für den Vorsitzenden des Heimatbundes Osnabrücker Land, Kaspar Müller, und Gemeindedirektor Hugo Pott, die das Vorhaben den 34 interessierten Bürgern in der Aula der Realschule vorstellten. „Alle Bewohner im alten Dorf sind dagegen“, erklärte ein Anlieger der Versammlung, deren zehnprozentiger „Ratsherrenanteil“  Ihr schon fast den Charakter einer Gemeinderatssitzung gab. Der Widerstand der Anwohner richtete sich vor allem gegen die von Heimatbund und Gemeinde vorgeschlagene Nutzung des Heimatdorfes, das, so Kaspar Müller, ein „Spiegelbild des Osnabrücker Landes, mit einem bisschen Emsland, vor allem aber mit pulsierendem Leben darin“ werden soll.

Keine steril-museale Angelegenheit, keine „Geisterstadt“. Es ist daran gedacht, in den Häusern „Hausmeisterfamilien“ anzusiedeln, darüber hinaus sollen die Häuser für Berufsschüler mit weiten Anfahrwegen Wohnmöglichkeiten bieten — bis zu zehn pro Haus.

Daran entzündete sich der Protest  der  Anwohner: Es trieben sich schon genügend Jugendliche dort herum, darin würden es noch mehr, und der  Krach…

Jetzt sei es im alten Dorf noch einigermaßen ruhig. Für ihre Darstellung, mit einem Einzug Jugendlicher in das gewünschte Heimatdorf werde das alte Wallenhorst zu einer Art „Hyde-Park“, ernteten die Anlieger aus der Versammlung einen Sturm der Entrüstung: „Man muss doch so viel Vertrauen haben zu erkennen, dass die Jugendlichen nicht  wieder zerstören, was sie selbst  mit aufgebaut  haben „Jugendliche dürfen die Baudenkmäler wiederaufbauen, aber wohnen dürfen sie dort nicht? Wohin sind wir denn gekommen?

„Wenn Erwachsene so denken, müssen sie sich nicht über die Abkehr der Jugend von ihnen wundern…“ „Unverantwortlicher Egoismus“, waren nur einige der Vorwürfe. Gemeindedirektor Pott betonte, von einem künftigen „Jugendzentrum“ könne überhaupt keine Rede sein, es sei lediglich daran gedacht, einigen Jugendlichen dort eine Wohnstatt zu bieten, vielleicht mit Anschluss an die Hausmeisterfamilien. Darüber hinaus biete diese Nutzung des Heimatdorfes auch die Möglichkeit, öffentliche Zuschüsse zu erlangen. Etwa 20 bis 30 Schüler aus dem Berufsgrundbildungsjahr „Bau“ verzeichnet die Osnabrücker Berufsschule pro Jahr, die aus dem nördlichen Niedersachsen, aus dem Emsland und von noch weiter her kommen.

Während ihrer Ausbildung sollen die Schüler aus dem BGJ am Aufbau der Heimatdörfer mitarbeiten, fachpraktische Fähigkeiten erlernen; vor allem alte Bautechniken, wie sie heute nicht mehr benutzt werden. Heimatbundvorsitzender Kaspar Müller, im Hauptberuf Oberstudiendirektor am Berufsschulzentrum Natruper Straße, schätzt solche Ausbildungsmöglichkeiten an echten Baudenkmalen gerade unter dem pädagogischen Aspekt besonders hoch ein: „Es werden bleibende Werte geschaffen, die Schüler lernen über Jahrhunderte bewährte Konstruktionen und Materialien kennen.“

Müller, sah die Entwicklung des Bauhandwerks eindeutig in Richtung Restauration gehen, doch dazu brauche es ausgebildeten handwerkliche  Nachwuchs.

Berufsschullehrer Schimmöller berichtete über die Alte Fuhrhalterei an der Großen Gildewart in Osnabrück, die er mit Berufsschülern aufgebaut habe, und brach eine Lanze für diese Jugendlichen: Sie würden sehr sorgfältig mit dem umgehen, dessen Schönheit und Zweckmäßigkeit sie selbst einmal erfahren hätten.Vor sieben Jahren hatte die Gemeinde  Wallenhorst das Heimatdorf in ihren Flächennutzungsplan  aufgenommen und 1981 bestätigt — „einmütig und ohne Bedenken“, wie der  Gemeindedirektor im Rückblick  betonte.  

Etwa zwölf Hektar umfasst die ausgewiesene Fläche: doch nicht nur für „Heimathäuser“. Zu diesem Gebiet gehören der Meierhof, das Kirchengelände  samt alter Küsterei, der Hof Heidemann und zwei weitere Anwesen, sie sollen in das Heimatdorf eingebunden werden. Veranschlagt man pro Haus samt Hof und Garten etwa tausend Quadratmeter, nähmen die zehn bis zwölf zunächst geplanten Gebäude rund ein Zehntel dieses Areals in Anspruch. Die übrige Fläche kann und soll sogar nach den Vorstellungen des  Heimatbundes weiterhin landwirtschaftlich genutzt werden, um den von alters her bestehenden Dorfcharakter, wie er noch vor 90 Jahren bestand,  wiederaufleben zu lassen und späteren Besuchern nahezubringen. Der Bau des 1975 geplanten Heimatdorfes, inzwischen Gegenstand einer Reihe von studentischen Examensarbeiten, wird, so Kaspar Müller, „ein Prozess über Jahrzehnte“ sein. Allein das Aufstellen des Gers-Barlagschen-Kottens, ein niederdeutsches Hallenhaus von 1656, mit dem das Projekt „Heimatdorf“ beginnen soll, werde mindestens drei bis vier Jahre in Anspruch nehmen, vermutet der Heimatbundvorsitzende, selbst wenn das Arbeitsamt ABM-Kräfte bewilligt und bezuschusst.

Die Bedenken der Anwohner konnten in der Versammlung nicht ausgeräumt  werden. Die Bewohner des alten Dorfes fürchten außer der geplanten Nutzung auch ein „Untergehen“ der Alten Kirche in dem Komplex, eine übermäßige verkehrliche Belastung ihres  Wohngebietes („Schon jetzt werden bei Veranstaltungen unsere Höfe zugeparkt“) und erhebliche Kosten für den beim Bau des Heimatdorfes zu erwartenden Anschluss an die Gemeindliche Wasserversorgung und Kanalisation.

Gemeindedirektor Pott bat die Anlieger, ihre Bedenken noch einmal schriftlich zu äußern. sö 
Quelle: NOZ v. Sept. 1983