Archivgeschichte(n): Teil I: Die Bildung der Großgemeinde wird vorbereitet
jod WALLENHORST
Fast die Hälfte der heute lebenden Wallenhorster kennt aus eigenem Erleben nur die Großgemeinde Wallenhorst, die am 1. Juli 1972 aus den bis dahin selbstständigen Gemeinden Hollage, Wallenhorst, Rulle und Lechtingen gebildet wurde.
Aber auch diese jüngeren Wallenhorster haben bestimmt schon einmal etwas von dem oft beklagten ,,Ortsteildenken“ gehört, das angeblich bis auf den heutigen Tag kommunalpolitische Entscheidungen erschwert. Es könnte damit zu tun haben, dass damals vier recht selbstbewusste Gemeinden erst unter sanftem Druck aus Hannover zusammenfanden.
Warum überhaupt ein Zusammenschluss?
Mit der Entwicklung des ländlichen Raumes rund um Osnabrück — einerseits zu ,,Schlafstätten“ der wachsenden Großstadt, andererseits als neue Heimat für Gewerbebetriebe, denen es in der Stadt zu eng wurde — kamen auf die kleinen Landgemeinden Aufgaben zu, die oftmals gemeindeübergreifende Lösungen und leistungsfähige Gemeindeverwaltungen erforderten.
In den Gemeindebüros in Lechtingen und Rulle saßen je drei Verwaltungsangestellte, in Pye und Icker gar nur einer. Das führte dazu, dass viele Aufgaben nicht im Gemeindebüro vor Ort, sondern in der Kreisverwaltung in Osnabrück erledigt wurden. Das hatte dann aber nicht mehr viel mit kommunaler Selbstverwaltung zu tun. Eine Reform musste her. Eine Sachverständigen-Kommission empfahl, dass die neu zu bildenden Gemeinden mindestens 5000 Einwohner haben sollten.
Was wollten die Altgemeinden?
Hollage (1968: 5054 Einwohner) und Pye (1820 Einwohner) arbeiteten auf vielen Gebieten eng zusammen, etwa bei der Frischwasserversorgung, bei der Abwasserbehandlung und im Rahmen eines Schulzweckverbandes. Pyer Volksschüler der Klassen 5 bis 9 mussten über viele Jahre zum Schulbesuch nach Hollage. Ähnliche Bindungen bestanden zwischen Lechtingen (2017 Einwohner) und Wallenhorst (2694 Einwohner) einerseits und Rulle (3306 Einwohner) und Icker (691 Einwohner) andererseits.
Franz-Joseph Hawighorst hat in einem Aufsatz für die Chronik ,,115O Jahre Wallenhorst“ detailliert zusammengestellt, welche Kräfte jeweils in Hannover, in Osnabrück und in den Altgemeinden am Werk waren und welche Interessen sie verfolgten.
Am weitesten waren Hollage und Pye. Ihre Gemeinderäte stimmten am 19. Dezember 1969 für den Zusammenschluss der Nachbargemeinden, die zusammen 7000 Einwohner auf die Waage brachten und sich für die neuen Zeiten ausreichend gerüstet fühlten. Nicht zuletzt auch deshalb, weil Hollage seit 1966 bereits über einen zeitgemäßen Rathaus-Neubau verfügte. Der sollte der neuen Großgemeinde noch bis 1995 als Verwaltungssitz dienen. Am 5. Januar 1970 folgten Rulle und Icker, die sich ebenfalls auf ein Zusammengehen geeinigt hatten. Doch beide Gebietsänderungsanträge fanden in Hannover keine Zustimmung. Innenminister und Regierungspräsident mussten auch für zufriedenstellende Lösungen fü den Neuzuschnitt des Landkreises und der Stadt Osnabrück sorgen. Schließlich wurde die jetzige Lösung mit dem Zusammenschluss von Hollage, Wallenhorst, Rulle und Lechtingen verfügt.
Im zweiten Teil der „Archivgeschichte zu ,,40 Jahre Wallenhorst“ wird in der nächsten Ausgabe zu lesen sein, wie 1972 das Los über den ersten Gemeindedirektor entschied und warum der Neubau des Kreiszentrums nicht nach Wallenhorst kam.
Quelle: NOZ vom 15.3.2012