Vom Erdboden verschwunden

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Stüveschacht gibt Rätsel auf: Wo ist das Zechengebäude geblieben?

Die Restaurierungsarbeiten am Stüveschacht sollen im neuen Jahr weitergehen. Nach der Veröffentlichung eines Fotos aus dem Jahr 1896 fragen sich manche Leser, wie ein so großer Gebäudekomplex einfach vom Erdboden verschwinden konnte. Wir haben. nachgefragt.

Von Rainer Lahmann-Lammert

Die Schwarz-Weiß-Aufnahme aus dem Fundus des Museums Industriekultur ist zwei Jahre vor der Zechenschließung am Piesberg entstanden. Sie zeigt einen lang gezogenen Gebäudekomplex mit einem stattlichen Schornstein. Heute ist nur noch das 20 Meter hohe Pumpenhaus an der Westseite als Ruine erhalten. Von dem riesigen Baukörper daneben .ist jedoch nichts mehr zu sehen. „Wie konnte es geschehen, dass dieser ehemals gewaltige Industriebau sich fast komplett in Luft aufgelöst hat?“, fragt unser Leser Siegfried Hoffmann.

 Ohne Kran, ohne Bagger

Offenbar hat sich für alle Abbruchmaterialien aus Stein oder Metall eine neue Verwendung gefunden. Nur das Pumpenhaus blieb erhalten wenn auch nur als Ruine. Ein Glücksfall für den Förderverein Stüveschacht, der das Gebäude mit Spendengeldern restauriert. Aber es stellt sich auch die Frage, warum ausgerechnet  20 Meter hohe Trakt im Westen der Anlage vom Abbruch verschont wurde. Franz Heidemann, der Vorsitzende des Fördervereins, hat dafür eine Erklärung: „Es war schwierig, so ein Gebäude mit den damaligen Mitteln abzureißen“, sagt er. Ganz oben unter dem Tonnendach überspannen noch immer vier Eisenträger den Raum. An jedem von ihnen war früher eine Laufkatze befestigt. Mit deren Hilfe konnten die großen Maschinenteile bewegt werden, die im Gebäude installiert waren.

Steine abgetragen

Mit den schweren, 16 Meter langen Trägern hätten sicherlich nicht nur Altmetallsammler etwas anfangen können. Aber ohne Kran oder Bagger wäre ihre Bergung zu einer lebensgefährlichen Angelegenheit geworden. Sie blieben also an Ort und Stelle, auch wenn der Zahn der Zeit mehr und mehr an den alten Mauern nagte. Doch was wurde aus der riesigen Halle, die sich im Osten anschloss? Immerhin war das Zechengebäude mit den vielen Rundbögen fast 100 Meter lang. Dem zweigeschossigen Mittelteil schlossen sich zwei unterschiedlich lange Gebäudeflügel mit nur einer Ebene an. „Bis in die 60er Jahre stand ein Teil der Halle noch“, erinnert sich Heinrich Halbrügge, ein Pyer  Urgestein, doch dann sei der Bau in sich zusammengefallen. Die Ämter hätten damals angeordnet, das Gelände einzuzäunen. Und der noch offene Schacht, der bis in 210 Meter Tiefe reicht, sei schon vorher mit einer Betonplatte verschlossen worden. Halbrügge weiß auch, wo die Abbruchmaterialien geblieben sind: „Die Metalle wurden verschrottet und die Steine abgetragen“. Der größere Teil sei wohl beim Steinbruch in die Produktion gegangen. Für den Rest hätten sich „private Nutzer“ gefunden.

Zuerst der Schornstein

Bleibt noch der mächtige Schlot. der auf dem Foto von 1896 das Zechengebäude überragt. Er mag etwa 35m hoch gewesen sein und diente dazu, den Rauch aus den großen Dampfmaschinen für die Wasserhaltung von den Arbeitern fernzuhalten. Schon lange ist von ihm nichts mehr zu sehen. „Der Schornstein wurde meist zuerst abgerissen“, sagt Rolf Spilker, der Leiter des Museums Industriekultur. Er vermutet, dass der Georgsmarien-Bergwerks- und Hüttenverein (GMBV), der die Zeche zuletzt betrieb, die Maschinen aus dem Kesselhaus an einen anderen Standort verfrachtete. Als am Piesberg Schicht im Schacht war, habe die Gesellschaft in Werne ein weiteres Bergwerk betrieben. Gut möglich, dass die Anlagen aus Osnabrück dort in Dienst gestellt wurden, meint der Industriehistoriker. 

Quelle: NOZ v. 04.01.2019