Der Grenzgänger, Pastor Otto Rüter, der über viele Jahre zwischen drinnen und draußen gependelt ist, er war zu Gast im Heimathaus Hollager Hof und hat über seine frühere Arbeit berichtet. Drinnen, damit ist das Gefängnis, der Knast gemeint und draußen, das ist alles andere, nämlich die Welt, die man als „Normalo“ so kennt. Eingesperrt zu sein in einer Zelle, 23 Stunden am Tag, mit nur einer Stunde Ausgang an der frischen Luft, das können die meisten seiner etwa 50 Zuhörer sich kaum vorstellen.
Als Pastor Rüter von seinem Bischof berufen wurde, diese seelsorgerische Aufgabe zu übernehmen, ahnte er noch nicht, dass es die spannendste Zeit seines Lebens werden würde. An fünf verschiedenen Einsatzorten des Strafvollzuges in Niedersachsen, seinen 5 Dörfern hat er gewirkt und dabei Strafgefangene während ihrer Haft begleitet. Seine Gesprächspartner in Einzelgesprächen oder auch bei Gruppenarbeiten waren verurteilte Mörder, Sexualstraftäter und überwiegend Drogenabhängige. Letztere waren durch die Abhängigkeit von modernen Drogen wie Christal Meth häufig schon gesundheitlich so geschädigt, dass der Kopf schon nicht mehr richtig funktionierte.
Der Referent berichtet von seinem vormaligen beruflichen Alltag, reiht seine Erlebnisse mit den Häftlingen aneinander und beleuchtet die Hintergründe des Gefängnislebens für seine Zuhörer, die Gott sei Dank, Erfahrungen im Strafvollzug nicht aufweisen können.
Ob er denn Angst gespürt habe bei seiner Aufgabe oder die Probleme der Häftlinge zu seinen gemacht habe, wird er gefragt. In beiden Fragefällen kann Rüter verneinen. Ausgleichende Freizeitaktivitäten waren hier hilfreich. Im Notfall hätte er über einen Pieper Hilfe anfordern können, was aber nie erforderlich war.
Pastor Rüter hat auch eine Fülle an Erinnerungsstücken dabei, die Häftlinge einzeln oder in Gruppenarbeiten erstellt haben. Jedes dieser kleinen Exponate hat eine Geschichte, an die der Referent sich gut erinnern kann und die er erzählt. Und auch jede Straftat, jeder Mord hat eine eigene Vorgeschichte.
Der Mensch ist ein Meister des Verdrängens, hat Otto Rüter festgestellt. Das gilt insbesondere auch im Knast. Schwere Straftaten werden nicht selten bagatellisiert. Interessant zu hören ist jedoch, dass die Beichte „drinnen“ häufiger praktiziert wird als „draußen“. Schuldgefühl und Verantwortung gibt es im Gefängnis also auch. Rüters Erfahrung ist: Eine Gegenwart, deren Vergangenheit nicht aufgearbeitet wurde, taugt nicht für die Zukunft.
Es gibt aber auch lustige Episoden. Die Autoreifen von Pastors PKW würde im Knast niemand zerstechen, denn das Auto eines Geistlichen ist ebenfalls „heilig“, und bei einem privaten Ausflug nach Köln wird Rüter auf der Domplatte lautstark mit „da ist ja mein Knastpastor“ begrüßt. Der so nett grüßte, war ein Ehemaliger, der seinen Wirkungskreis ins Rheinland verlegt hatte.
Als Geistlicher im Strafvollzug besteht auch immer die Gefahr, als Kurier oder Lieferant von nicht erlaubten Gegenständen missbraucht zu werden. Hier muss man konsequent ohne Ausnahme handeln, denn „nur ein Mensch, der kein Geld nimmt, ist unbezahlbar“, so Rüter.
Nach knapp zwei Stunden und vielen weiteren Episoden aus dem Gefängnisleben gibt es noch eine Reihe von Fragen aus der Zuhörerschaft. Man merkt, dass es in den Köpfen arbeitet. Das Thema ist wahrlich nicht alltäglich. Am Ende des Abends gibt es Applaus für den Pastor und ein Dankeschön vom Heimatverein für diesen interessanten Abend. Alle sind froh, dass sie nach „draußen“ und nach Hause gehen können.