Liebe vergeht, Hektar besteht !

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Heute fahren wir mit dem Bus rüber nach NRW, genauer: keine 25 km bis nach Mettingen. Dort haben wir eine Zeitreise unter der Überschrift: „Drum prüfe, wer sich ewig bindet…“   mit dem Thema „Hochzeitvorbereitungen“ gebucht und gut 30 Teilnehmer aus der Dienstagsgruppe sind mit dabei.

Petra Suthe, Gästeführerin vom Heimatverein Metttingen nimmt uns in Empfang und stimmt uns im Schatten der Agathaschule auf das Thema ein. Währenddessen entscheiden sich die letzten Regentropfen, nicht herabzufallen, sondern als Wasserdampf in der Atmosphäre zu bleiben.

Die Agathaschule mit ihrer 100-jährigen Geschichte, einst von betuchten Eltern für ihre Töchter eingerichtet, war der Hort für die Vorbereitung junger Mädchen auf ihre Rollen als Hausfrau und Mutter. Natürlich lernten sie auch lesen und schreiben, aber das erst in zweiter Linie.

Plötzlich taucht Alwine, eine übrig gebliebene Schülerin aus der Zeit des frühen 20. Jahrhunderts auf dem Schulhof auf und berichtet Interessantes aus dem damaligen Schulalltag. Ein sehr geregeltes Leben war das für die Zöglinge des Internats und die Schülerinnen aus dem Umland. Immer waren da die Nonnen, die auf Anstand und Sitte achteten und für eher kleine Vergehen gab es drakonische Strafen. Sehr lebendig schildert uns Alwine ihr damaliges Schulleben und nicht selten sind die Lacher auf ihrer Seite.

Heute ist die Schule in der Trägerschaft des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe eine Einrichtung für körperlich eingeschränkte Kinder, die hier parallel zum Schulbetrieb optimal therapeutisch unterstützt werden.

Wir werfen im weiteren Verlauf der Zeitreise einen interessierten Blick in das völlig umgekrempelte Hotel Telsemeyer und treffen in einem Nebengebäude eine reisende Kaufmannsfrau aus den Niederlanden. Sie berichtet über die schwierigen Reisebedingungen im 19. Jahrhundert und über die Liebesheirat einer Eleonore Käller, die nicht standesgemäß  sich in den Knecht des Hauses verguckt hatte. Welch ein Drama.  Damals spielten Gefühle bei der Verehelichung eine sehr untergeordnete Rolle,  vielmehr sollte Geld zu Geld und Hektar zu Hektar kommen.  Versorgungsehen und Familienpolitik waren angesagt. „Liebe vergeht, Hektar besteht“, ist ein typischer Ausspruch damaliger Zeit.

Trotz Enterbung und Verbannung der Eleonore setzte sich diese mittelfristig doch durch und heiratete ihren Knecht August. Allerdings endete ihr Schicksal nicht wie bei Rosamunde Pilcher üblich, sie überlebte das 3. Kindbett leider nicht und August musste sich flugs nach einer neuen Frau umsehen. Das ging früher infolge der drängenden Versorgungsfragen schneller als heute.

Dass Frauen in Deutschland sich ihrer Selbstbestimmung erfreuen können, ist auch gerade mal 50 Jahre her. Noch 1975 musste ein Ehemann der angestrebten Berufstätigkeit seiner Frau die Zustimmung erteilen und die Eheratgeber der 1950iger Jahre lesen sich wie Märchenbücher… kaum zu glauben.

Über Stufen und Kopfsteinpflaster und den Besuch des Doms erreichen wir den Schultenhof, der auch das Mettinger Standesamt beherbergt. Im Trauzimmer treffen wir am wärmenden Kamin eine Brautmutter vergangener Zeiten, die uns ausführlich in die Fragestellungen von Brautwerbung, Aussteuer, Hochzeiter, Hochzeitsfeier und wie man unter „die Haube“ kommt,  einführt. Interessant auch, dass Hochzeitskleider  damals schwarz waren und zu vielen Gelegenheit getragen wurden, zuletzt als Überwurf auf dem Totenbett.

Nach einer letzten Geschichte zur Brautwerbung, quasi als „Schlüssel der Erkenntnis“, verabschieden wir uns von Frau Suthe und der wandlungsfähigen „historischen Dame“ und machen uns auf den Weg ins Hotel Telsemeyer. Hier wartet  auf den Chronisten eine leckere Erbsensuppe, andere begnügten sich  mit Haxe, Leberkäse oder Hühnerfrikassee samt Nachtisch.  Ein rundum gelungener Dienstagvormittag.