Besichtigung der Kartonagenfabrik Zerhusen in Damme
Wer häufig im Internet unterwegs ist und dort auch schon mal einkauft, kennt das. Geliefert wird oft schon am nächsten Tag und um die bestellte Ware herum findet sich immer auch eine mehr oder weniger aufwendige Verpackung. Die wird bestenfalls über die Grüne Tonne entsorgt und die wenigsten denken darüber nach, wer das gefaltete Werk aus Wellpappe und Klebestreifen wohl hergestellt hat und wo das geschieht.
Nicht so die Dienstagsgruppe vom Hollager Hof. Wir wollen es genauer wissen und deshalb sitzen wir an diesem trüben Morgen um 9 Uhr im Reisebus und lassen uns von Fahrer Nicolai nach Damme bringen, zur Kartonagenfabrik Zerhusen.
Schon als der Bus auf das Werksgelände einbiegt wird uns eines klar: so ganz klein ist diese Firma nicht. Im Eingangsbereich treffen wir auf ein imponierendes Modell des Firmengeländes. Im Konferenzraum, an dessen Entrèe uns ein Display als Betriebsbesichtigungsgruppe aus Hollage ausweist, empfängt uns die Ausbildungsleiterin und der Leiter der Entwicklungsabteilung. Wir nehmen als 35-köpfige Gruppe Platz an Tischen, die mit Kaffee und Kaltgetränken eingedeckt sind.
Nach warmer Begrüßung schauen wir zunächst eine Video-Präsentation zur großen Wellpapp-Anlage, weil wir diese leider nicht im Betrieb besichtigen können. Zerhusen stellt selbst kein Papier her, sondern fertigt zunächst aus zugekauften „Papieren“ Wellpappen der verschiedensten Stärken. Jede der gelieferten Papierrollen wiegt gut 1,5 Tonnen und wird ziemlich vollautomatisch in drei Schichten unter Verwendung von umweltfreundlichen stärkehaltigen Klebstoffen zu Wellpappe verarbeitet. Was man auf diese Weise herstellt, wird auf 35.000 qm Betriebsfläche zu unterschiedlichsten Kartonagen und teilweise aufwendigen Verpackungen verarbeitet. Das war nicht immer so.
Als der Firmengründer 1987 den Grundstein für diesen Betrieb legte, bestand die Belegschaft neben ihm aus zwei weiteren Personen. Damals stand der Handel mit Kartonagen noch im Vordergrund, die Herstellung etablierte sich erst Mitte der 90iger Jahre. Heute sind hier 550 Beschäftigte zu Hause. Günter Zerhusen, mittlerweile 91 Jahre jung und jeden Tag noch auf einem Gang durch den Betrieb unterwegs, begrüßt uns übrigens persönlich auf sehr nette Art, als wir von unserer Besichtigung zurück kommen.
Aber der Reihe nach. Wir haben jetzt schon aufgrund des Videos viele Fragen, die uns alle beantwortet werden. Dann gibt es eine kurze Sicherheitseinweisung, wir schlüpfen in gelbe Warnwesten und bewaffnen uns mit Kopfhörern. Über Funk sind wir nun mit unserem Guide verbunden und aufgeteilt in zwei Gruppen geht es in den laufenden Betrieb.
Die Produktion ist nahezu vollautomatisiert. Über Förderbänder werden die vorgefertigten Wellpappen von diversen Maschinen bedruckt, geschnitten, gerillt, gestanzt, gefaltet und geklebt. Dabei kommen komplizierte Rotationswerkzeuge und Offset-Drucktechniken zum Einsatz, entsprechend dem Kundenauftrag und passend zum Endprodukt. Alles was produziert wird, ist auch verkauft.
In das 36 m hohe Regallager bei Zerhusen kommen nur die Kundentranchen, die für die nächsten drei Monate vorproduziert sind. Kein Kunde will sich mit Verpackungsmaterial die eigenen Kapazitäten zustellen. Zerhusen liefert dann „just in time“, das allerdings nur im Umkreis von 300 km. Darüber hinaus wird es wegen der Transportkosten unwirtschaftlich, birgt doch ein voll beladener LKW nur einen Warenwert von ca. 3.000 €.
Beeindruckend auch die automatisierte Logistik. Alle Paletten werden vor Verwendung automatisch auf Beschädigungen und Schwächen untersucht, damit es im menschenleeren Hochregallager in 36 m Höhe keine Zusammenbrüche gibt. Das wäre ein Problem. Ansonsten sind die Transportbänder, Drehscheiben, Aufzüge und Hubeinrichtungen ziemlich intelligent. Sie warten auf gleichartig bepackte Paletten, lagern zwischen, nehmen immer den kürzesten Weg und legen den Bedarf für „in drei Monaten“ ganz hinten und ganz oben im Regal ab.
300 Aufträge werden täglich rund um die Uhr erledigt und mit eigenem Fuhrpark ausgeliefert. Wir sind beeindruckt und haben viele weiteren Fragen von der Produktpalette bis zu den Beschäftigungsstandards. Auch Zerhusen hat Probleme, die 30 Ausbildungsplätze alle zu besetzen. Dabei sind die Chancen, nach der Ausbildung beschäftigt zu werden, sehr gut.
Reinhard Kruithoff bedankt sich für unsere Gruppe bei den handelnden Personen und für die guten Informationen. Als der Firmengründer auf seine Nachfrage erfährt, dass wir bei „Maria-Rast“ zu Mittag essen wollen, meint er lapidar „Da wollt ihr aber nicht bleiben?“
Wollen wir auf keinen Fall, denn das ist eine Seniorenresidenz. Aber das Essen ist ausgezeichnet.