Osnabrücks Mann in Bonn

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Anton-Storch-Straße erinnert an Adenauers Arbeitsminister

Wallenhorst. Im Norden des Ruller Haupthügels sind Straßen nach Sportlern (Jahn, Harbig, Mayer), einem Kirchenmann (Ketteler) und Politikern (Kaiser, Storch) benannt. Eine dieser überregional bedeutenden Größen hat, was kaum bekannt ist, auch einen Regionalbezug: Der erste Bundesarbeitsminister Nachkriegsdeutschlands Anton Storch hatte seinen Wahlkreis in Osnabrück.

Dabei stammte er aus dem Hessischen. Er kam am 1. April 1892 als sechstes Kind eines Heizers in Fulda zur Welt. Früh verlor er seine Eltern, mit zwölf Jahren wurde das Waisenhaus zum Familienersatz. Nach der Volksschule erlernte er das Tischlerhandwerk, vertiefte seine Kenntnisse „auf der Walz“ in Belgien und der Schweiz und arbeitete bis 1914 als Tischlergeselle in Westdeutschland. Am Ersten Weltkrieg nahm er von 1914 bis 1918 als Kanonier teil. Ab 1920 wandte er sich auch hauptberuflich der christlichen Gewerkschaftsbewegung zu. Er diente dem Zentralverband Christlicher Holzarbeiter, zuletzt als Leiter des Landesverbandes Hannover.

Als Versicherungsvertreter durchgeschlagen

1933 gab Anton Storch alle Ämter auf. Er wollte sich nicht mit der NS-„Arbeitsfront“ gemein machen und schlug sich stattdessen als Versicherungsvertreter durch. Während des Krieges war er in der Feuerschutzpolizei Hannover dienstverpflichtet. Nach dem Zusammenbruch 1945 arbeitete er zunächst wieder als Tischlergeselle. Ehrenamtlich wirkte er am Aufbau der Gewerkschaftsbewegung in Hannover mit. Von 1946 bis 1948 leitete er die sozialpolitische Abteilung des neu gegründeten DGB. Der entscheidende Sprung in die große Politik gelang 1947, als er Mitglied des Wirtschaftsrates der britisch-amerikanischen „Bizone“ wurde. Im August 1948 ernannten ihn die Alliierten zum Direktor der Verwaltung für Arbeit der Bizone in Frankfurt. In dieser Eigenschaft war er „Kollege“ des Direktors für Wirtschaft, Ludwig Erhard. Die zukünftigen Bundesminister liefen sich warm.

Politische Heimat in der CDU

Seine politische Heimat fand Storch in der CDU. Er gehörte zu den Mitgründern der CDU in Niedersachsen und auch in Osnabrück. Als die Partei für die erste Bundestagswahl der jungen Bundesrepublik am 13. August 1949 zugkräftige Kandidaten brauchte, gewann sie Anton Storch für den Wahlkreis 6 Osnabrück-Stadt und –Land. Storch sprach im Speisesaal der Firma Karmann an der Martinistraße über die Politik der Frankfurter Wirtschaftsverwaltung. Er skizzierte, wie er die deutsche Volkswirtschaft dem sozialen Frieden näher bringen wolle, unter anderem durch die „Aufhebung der Menschen-Zwangsbewirtschaftung“ mittels freier Arbeitsplatzwahl und Gleichstellung der Arbeiter und Angestellten. Kurz vor der Wahl trat er an einem Sonntagvormittag in Osnabrücks erstem Nachkriegs-Kino, den „ Central-Lichtspielen “ an der Möserstraße, vor fast 1000 Menschen auf. Die vorher angekündigte „Gelegenheit zu freier Aussprache“ kam etwas zu kurz, weil nach zwei Stunden Wahlrede das Kino für die nächste Vorstellung eines Heimatfilms geräumt werden musste. Storch stellte sich auf dem Vorplatz des Kinos spontan einer größeren Anzahl politischer Gegner und beantwortete eine halbe Stunde lang Fragen.

Für Osnabrück im Bundestag

Die Osnabrücker Wähler „schickten ihn nach Bonn“, wie man so sagte. Viermal in Folge holte Anton Storch das Direktmandat, von 1949 bis 1965 saß er für Osnabrück im Bundestag. In den ersten beiden Legislaturperioden bekleidete er das Amt des Bundesarbeitsministers. Er sorgte für das Soziale in Erhards Sozialer Marktwirtschaft, er hatte großen Anteil daran, dass neun Millionen Vertriebene, vier Millionen Kriegsversehrte und zwei Millionen Arbeitslose in Gesellschaft und Erwerbsleben „integriert“ werden konnten, wobei das Wort noch unbekannt war. Er brachte das Tarifvertrags-, das Kündigungsschutz- und das Sozialanpassungsgesetz durch, er galt als „Vater der dynamischen Rente“ und „des Kindergeldes“. Storch blieb ein bescheidener Mann, er fuhr mit dem Fahrrad zum Dienst, lehnte die Anschaffung größerer Karossen mit Stern für sein Ministerium ab und bewirtete seine Gäste privat gern mit Erbseneintopf. Auch in großen Dingen war er sparsam. Ende 1949 gab er dem Finanzminister Fritz Schäffer 400.000 DM aus seinem Budget zurück, die er nicht gebraucht hatte – ein wohl einmaliger Vorgang.

Für die letzte Lebensphase kehrte Anton Storch in seine Heimatstadt Fulda zurück, wo er am 26. November 1975 im Alter von 83 Jahren starb.

von Joachim Dierks

Quelle: NOZ vom 30.10.2015