Geschrieben von Achim Eberhard
- Einleitung
Urkundlich schon 1448 erwähnt entwickelte sich der Steinkohlenbergbau zum Ende des 18. Jahrhunderts zu einer wichtigen Einnahmequelle für die Stadt Osnabrück. Mit der Errichtung von zwei Schachtanlagen in den 1870er Jahren und über 1.500 Beschäftigten erlebte in diesen Jahren der Piesberger Steinkohlenbergbau seine Blüte. Doch mit dem Vordringen in die Tiefe vermehrten sich die Probleme mit der Wasserhaltung. Nach schweren Wassereinbrüchen und einem Streik der Arbeiter wurde die Zeche Piesberg 1898 stillgelegt. Lediglich nach 1945 wurde nochmals im geringen Umfang Notbergbau betrieben.
3.2.1. Grubenbetrieb
3.2.1.1 Abbau und Förderung
Mit dem Erreichen der Flöze durch die zum Schacht führenden Hauptquerschläge wurden zu beiden Seiten der Querschläge Grundstrecken aufgefahren. Anschließend wurden von diesen aus in Abstanden von etwa 300 m im Einfallen der Flöze Bremsberge aufgefahren. In den Bremsbergen wurden im Abstand von 15-25 m und parallel zur Grundstrecke die Abbaustrecken angesetzt. Zwischen den Strecken erfolgte anschließend die Einteilung des Flözes durch Aufhauen in einzelne Baufelder. Der genaue Abstand der Bremsberge, Aufhauen und Abbaustrecken war je nach Flözmächtigkeit und geologischer Verhältnisse unterschiedlich.
Die Steinkohle wurde im Streb in streichender Richtung abgebaut. Nach der Erstellung eines Schrams, bei mächtigeren Flözen saß der Hauer dazu auf einem einbeinigen ,,Schrambock“, wurde die Kohle durch Spreng- und Keilhauenarbeit gelöst. Anschließend wurde die Steinkohle in den Abbaustrecken in Förderwagen abgezogen und über die mit einer Gestellförderanlage samt Gegengewicht ausgestatteten Bremsberge zur Grundstrecke transportiert. Hier erfolgte die Zusammenstellung der Züge und der Transport mit Grubenpferden zu den Schächten. In den beiden Schächten wurden die gefüllten Förderwagen nur bis auf das Niveau der Hasestollen-Sohle gehoben. Während die Förderwagen am Haseschacht direkt an die im Hasestollen verlaufende Kettenförderung angeschlagen werden konnten, mußten die Förderwagen vom Stüveschacht erst über die Hasestollen-Sohle zum Haseschacht transportiert werden. Dies erfolgte durch Pferdezüge mit 10 – 12 Wagen. Die Herstellung der Bohrlocher im Streb sowie in den Abbau, Grundstrecken und Querschlägen erfolgte durch einmannische Bohrarbeit. Lediglich beim Abteufen des Stüveschachtes und beim Auffahren eines Sumpfquerschlages vom Stüve- bis zum Haseschacht wurden Druckluftbohrmaschinen verwendet. Die Auffahrung der Sumpfstrecke wurde nach ca. 860 m und 55 m vor dem Erreichen des Haseschachtes im Juli 1898 aufgegeben.
Für die Schiessarbeit wurde Gelantinedynamit und Pulver (Schwarzpulver) verwendet. Als Lager dienten ein Pulverhaus in der Nähe der Steinbrüche für max. 5.000 kg Pulver, der alte Mosberger-Stollen für max. 300 kg (1894: 2.500 kg) Dynamit und als zentrales Depot für Dynamit der Lechtinger Oberstollen mit einer Kapazität von max. 500 kg. Innerhalb des Grubengebäudes befanden sich Aufbewahrungsräume im Flöz Johannistein nahe dem Hase-Stollen (max. 300 kg Dynamit, 1893: 1.500 kg) und im Hangenden des Flözes Johannistein für max. 300 kg Pulver. Auf der 1. Tiefbausohle war ein Lager nahe dem Stüve-Schachte im Flöz Mittel für 300 kg Gelantinedynamit eingerichtet. An den Ausgabestellen der Lager erhielt jeder Drittelführer (Schichtführer) ein Paket Dynamit (= 2,5 kg) und je nach Bedarf eine Blechbüchse mit 2 kg Pulver. Zündmittel wie Zündschnüre und Sprengkapseln wurden in den Magazinen ausgegeben. Untertage wurde der Sprengstoff am Arbeitsort bis zur Verwendung in einer verschließbaren Schießkiste gelagert.
Aufgrund der geringen Mächtigkeit des Deckgebirges und der starken Zerklüftung des Gesteins gab es am Piesberg kein Methangas. Daher konnte mit offenem Geleucht (westfälische Froschlampen des Herstellers Seippel) gearbeitet werden.
3.2.1.2. Wasserhaltung und Grubenwasserabführung
Der Bergbau am Piesberg hatte große Probleme mit hohen Wasserzuflüssen in das Grubengebäude. Der Grund dafür war die geringe Deckschicht und zahlreiche, große Mengen an Standwasser führende Klüfte im Sandstein und Karbonquarzit. Besonders problematisch war der hohe Salzgehalt der Wasser, der mit der Teufe zunahm. Im Jahre 1882 enthielt ein Liter Grubenwasser 10,71 g Natriumchlorid, dieser Anteil vervierfachte sich bis zum Jahre 1897 mit 46,33 g/I. Gelöst wurden die Salze vermutlich aus dem benachbarten Zechstein. Tödliche Folgen hatte der Kohlensäuregehalt des Wassers, als 9 Bergleute 1893 bei einem Wassereinbruch erstickten. Ein Liter des Grubenwassers enthielt bei 15°C 338 cm³ Gase, die zu 97 % aus Kohlenstoffdioxid bestanden. Die Herkunft des Gases ist wahrscheinlich auf das Bramscher Massiv zurückzuführen. Die genaueren Umstände wurden durch HAARMANN (1909) ausführlich beschrieben.
3.2.1 .2.1. Grubenwasserzufluss
Vor dem Übergang in den Tiefbau betrugen die Wasserzuflüsse etwa 3 m³/min, die sich 1877 durch den neu erschlossenen Tiefbau im Südflügel auf 4,7 m³ erhöhten. Mit fortschreitenden Abbau stiegen die Zuflüsse auf 10 m³ im Jahre 1883 und 15 m³ im Jahre 1886. Bis 1890 konnte der Wasserzufluss nahezu konstant gehalten werden. Beim Abteufen des Stüveschachtes brachen am 29. Januar 1876 im Bereich der 1.Tfbs. aus einer Kluft große Mengen Wasser ein, die den Schacht und angeschlossene Strecken innerhalb von 15 h bis zur Hasestollensohle fluteten. Erst Anfang 1890 konnte der Schacht gesümpft werden. Nach Abmauern der Kluft konnte der Zufluss von 5 auf 0,5 m³ reduziert werden. Im November 1891 wurde bei der Auffahrung der östlichen Sohlstrecke des Flözes Dreibänke auf der 1.Tiefbausohle (Tfbs.) eine Störung angefahren, welche die im Schacht abgemauerten Wasser wieder aufschloss.
Die gesamten Wasserzuflüsse betrugen Ende April 1892 20 m³. Am 07. September 1893 ereignete sich auf der Mittelsohle in 144 m Teufe ein schwerer Wassereinbruch mit 10 m³/min, der den Betrieb auf der 2. Tfbs. zum Erliegen brachte. Erst nach sieben Monaten wurde der Schacht wieder gesümpft und der Querschlag auf der Mittelsohle abgemauert. Die Grubenwasserzuflüsse betrugen nun 23 m³, wobei 18 m³ auf der 1. und 5 m³ auf der 2. Tfbs. anfielen. Durch das Auffahren des Hauptquerschlages auf der 2. Tfbs. erhöhte sich der Zufluss im Oktober 1894 auf 25,5 m³ und mit dem Aufschluss der Flöze Zwei- und Dreiäinke Ende 1895 auf 28 m³. Am 18. Januar1897 erfolgte im Flöz Dreibänke Osten auf der 2. Tfbs. ein Wasserdurchbruch mit 2,5 m³, welcher den Zufluss nun auf 30,5 m³/min erhöhte. Weitere Wasserdurchbrüche mit Kohlenstoffdioxidaustritt ereigneten sich am 23. Februar und 12. April bei der Auffahrung des Sumpfquerschlages. Nach dem Einbau eines 700 m langen Wetterscheiders und einer 100 m langen Luttentour wurden die Arbeiten wieder aufgenommen, bis am 31. Mai ein erneuter Durchbruch mit 2,5 bis 3 m³/min erfolgte.
Der Vortrieb wurde bis zum Einbau eines Lüfters und neuer Wasserhaltungsmaschinen vorläufig gestundet. Der Zufluss betrug nun 37,2 m³/ min, wovon 14,6 m3 auf der 1. Tfbs. anfielen. Am 11. Juni kam es auf der 2. Tfbs. am Stiive-Schacht im Aufhauen des Flozes Dreibänke in der 1. westlichen Abteilung aus dem Liegenden zu einem erneuten Wasserdurchbruch mit 2 – 3 m³/min. Ein Teil der Wasser musste in den Sumpfquerschlag geleitet werden, da am 13. eine der beiden unterirdischen und am 15. die oberirdische Wasserhaltungsmaschine durch Gestängebruch ausfiel. Die Schäden konnten innerhalb von zwei Tagen repariert werden.
Ein schwerer Wassereinbruch mit einem Zufluss von 8 m³/min ereignete sich am 25. November 1897 in einer Störung im Flöz Dreibänke Ort. Nr. 1 Westen über der Teilsohlenstrecke. Die Dammtüren der 2. Tfbs. wurden geschlossen und die Kohlenförderung eingestellt. Der Grubenwasserzufluss betrug nun 47,7 m³, ging aber nach einigen Tagen auf 43 m³ zurück. Die Leistung der Wasserhaltungsmaschinen reichte für diese Wassermengen nicht mehr aus. Am 07. Dezember wurde das Flöz Dreibänke auf der Teilsohle im Nordflügel abgemauert, am 20. Dezember erfolgte die komplette Abmauerung des Nordflügels auf der 2. Tiefbausohle. Dies führte zu einer Begrenzung der Zuflüsse auf 35 m³. Am Haseschacht verringerten sich die Wasserzuflüsse nach dem Wassereinbruch auf 10 m³/min.
3.2.1.2.2. Wasserhaltung
Am Stüveschacht standen Übertage zwei Woolf‘sche Balancierwasserhaltungsmaschinen mit einer Leistung je Maschine von 478 kW und 12 m³ Wasser pro Minute. Die Drucksätze waren im Bereich der 1. und 2. Tiefbausohle aufgestellt. Etwa sieben Meter unterhalb der 2. Tiefbausohle befand sich eine Pumpenkammer mit zwei dampfbetriebenen Verbundmaschinen des Herstellers Haniel & Lueg, welche eine Pumpenleistung von jeweils 7 m³/min hatten. Nach Errichtung einer zweiten unterirdischen Wasserhaltungsmaschine 1895 wurde die überirdische Wasserhaltungsmaschine in Reserve genommen. Die Gesamtleistung aller Pumpen am Stüveschacht betrug 38 m³ Wasser pro Minute. Die Wasser wurden bis auf die Hasestollensohle gehoben und flossen in der Saige des Stollens bis zum Haseschacht, wo sie zusammen mit den Wassern des Haseschachtes in einer Rösche abgeleitet wurden. Im Jahre 1897 wurde neben dem Stüveschacht mit den Teufarbeiten für einen neuen Schacht zur Bewetterung und Wasserlösung der Tiefbaue begonnen, der jedoch nicht mehr vollendet wurde.
Am Haseschacht waren 1896 zwei oberirdische Wasserhaltungsmaschinen mit je 335,5 kW und 48 kW sowie eine unterirdische mit 253,5 kW Leistung installiert. Die Gesamtleistung aller Pumpen betrug 27 m³/min. Zur Erhöhung der Wasserhebungskapazitäten wurden zwei weitere Wasserhaltungsmaschinen bestellt, deren Auslieferung im Oktober 1898 und im April 1899 erfolgen sollte.
3.2.1.2.3. Grubenwasserabführung
Die erste Grubenwasserabführung zur Hase, einem Nebenfluß der Ems, wurde 1794 mit dem Durchschlag des Lücker-Stollens am Nordhand des Berges angelegt. Schon damals war das Wasser so säurehaltig, das in der Grube getragenes ledernes Schuhwerk innerhalb kurzer Zeit zerfiel. Im Ableitungsgraben lagerten sich große Mengen Ocker ab und an beiden Ufern Vegetation im Bereich von 1,5 – 2 m zerstört. Nach der Auffahrung des Hasestollens 1856 wurden die Grubenwasser ungeklärt in die Hase geleitet. Die Verschmutzung war im Fluss anhand der Wasserverfärbung, die von Dunkelgrün über Gelb in Rot überging, kilometerweit sichtbar. Dieser Zustand führte zu einem Konflikt mit den Wiesenbesitzern im Hasetal, die hier von 1869-1873 ,,Rieselwiesen“ angelegt hatten. Beschwerden der Wiesenbesitzer führten zum Bau von Klärteichen am Mundloch des Hasestollens durch den Magistrat. Die Teiche erwiesen sich aber schnell als zu klein und zwecklos, da sie zwar den Ocker, nicht aber den Chloridgehalt in der Hase reduzierten.
Nach einer Klage der Wiesenbesitzer vor dem Landgericht Osnabrück |ieß der Magistrat ein Gutachten durch den Wasserbautechniker Brehme aus Münster erstellen. In einer Denkschrift schlug dieser den Bau eines Kanals zur Ems vor, der je nach Streckenführung 53,63 und 69,7 km lang werden sollte und dessen projektierte Baukosten zwischen 426.300 und 519.000 Mark lagen. Am 16. März 1889 wurde zwischen dem Magistrat und den Wiesenbesitzern, die sich finanziell am Bau beteiligen sollten, ein Vergleichsvertrag über die Ausführung des Projektes abgeschlossen. Der Vertrag galt als nicht abgeschlossen, wenn alle Genehmigungen nicht bis zum 15. Oktober 1889 erteilt wurden. Mit dem Verkauf der Zeche Piesberg am 22. August 1889 gingen alle Rechte und Pflichten an den GMBHV über.
Die vorherige Untätigkeit des Magistrats und der geringe Zeitraum für den GMBHV zur Einholung der Genehmigungen führten zur Hinfälligkeit des Vertrages. Widerstand der Wiesenbesitzer und die Verweigerung zur Genehmigung des Projektes durch das Oberbergamt Dortmund führten im Jahre 1891 zur Aufgabe des Projektes. Zwischen 1890 und 1891 errichtete der Verein mehrere, insgesamt 30 ha und 510.000 m³ fassende Klär- und Sammelteiche, mit denen die Grubenwasser 2-3 Wochen lang gespeichert werden konnten. In dieser Zeit bestand die Möglichkeit zur Bewässerung der Wiesen mit Hasewasser. Probleme bereitete aber die Wasserdurchlässigkeit der Dämme. Mit zunehmender Teufe der Zeche stieg die Grubenwassermenge stark an. !m Jahre 1895 mußte die unterirdische Rohrleitung vom Mundloch des Hasestollens zu den Klärteichen durch einen Kanal ersetzt werden. Klagen der Wiesenbesitzer und ständige Aus- und Verbesserungen an den Klär- und Sammelteichen führten zu hohen finanziellen Belastungen.
Bereits 1894 begannen Verhandlungen mit Bewohnern des nördlichen Tecklenburger Kreises zum Bau einer Kleinbahn von der oldenburgischen Bahn am Piesberg zur Station der hannoverschen Westbahn bei Hörstel. Die Grubenwasser sollten in einem Graben entlang des Bahndammes in den Dortmund-Ems-Kanal geleitet werden. Nach einer Absage der königlichen Kanalkommission zu Münster, die Wasser in den Kanal zu leiten, sahen die neuen Planungen den Bau eines Dükers durch den Kanal und eine Weiterleitung zur Ems vor. Die Genehmigung dafür wurde von der Regierung mit der Auflage gegeben, daß der Salzgehalt der Ems nicht 0,5 g/I während der Bewässerungszeit und im übrigen 1g/I übersteigen dürfe. Notfalls durch den Bau eines Sammelteiches meinte man diesen Forderungen nachkommen zu können.
Mit den Wiesenbesitzern im Hasetal wurde am 15. Juni bzw. 12. Oktober 1897 ein Vergleich abgeschlossen. Der GMBHV verpflichtete sich zur vollständigen Ableitung der Wässer in die Ems und dem Bau eines Dükers bis Ende 1897. Sollte der Graben nicht bis zum 1. Oktober 1899 fertiggestellt sein stand eine Konventionalstrafe von 10.000 M an. Im Gegenzug verpflichteten sich die Kläger einen Teil der Klagen und Schadensansprüche zurückzunehmen und die laufenden Verfahren bis zum 1. Oktober 1902 auszusetzen. Im Jahre 1897 kam die Zeche der Forderung zum Bau eines Dükers unter dem Dortmund-Ems-Kanal nach. Der Bau der Bahn samt Graben verzögerte sich durch Unstimmigkeiten bei der Statutenbildung der zu gründenden Kleinbahngesellschaft, der finanziellen Beteiligung durch Kreis, Provinz und Staat und eine mögliche Verlängerung der Strecke bis zur Stadt Rheine.
Ein schwerer Wassereinbruch im November 1897 machte die Einhaltung des maximalen Salzgehaltes in der Ems unmöglich. Nun sollte die Einleitung 22 km stromabwärts erfolgen, was die Baukosten von 580.000 M auf mind. 1.000.000 M erhöhte. Die Zechenverwaltung ließ das Projekt und die mögliche weitere Entwicklung der Grubenwässer durch mehrere Gutachter untersuchen [Vgl. Abs. 3.2 ]. Im Mai 1898 lagen die Ergebnisse vor. Eine Zunahme der Zuflüsse auf 80 m³ wurde für wahrscheinlich gehalten, deren Hebung und Ableitung aber noch einen rentablen Betrieb der Zeche zugelassen hätten. Hohe Kosten würde allerdings ein steigender Salzgehalt verursachen. Zu einer weiteren Ausführung der Grubenwasserableitung kam es aufgrund der Betriebseinstellung am 8. Juni 1898 nicht mehr.
J. Thöle/H. Halbrügge