Blick von der „Barlage-Brücke“ Nr. 74 nach Süden – in den 1970er Jahren (links) und im April 2009. Die Bilder verdeutlichen den Wandel bei der Bepflanzung und den Wechsel von alter zu neuer Brücke. Fotoarchiv Heimathaus Hollager Hof / Joachim Dierks
Wallenhorster Geschichte(n): Der Ausbau der Wasserstraße hat das Landschaftsbild verändert
Von Joachim Dierks
WALLENHORST
Einst hat der Staat die Verkehrswege vorgegeben, auch die Breite der Kanäle. Und wer sie nutzen wollte, musste sich mit der Größe seines Schiffs danach richten. Seit einigen Jahrzehnten sind die Verhältnisse auf den Kopf gestellt Die Wirtschaft gibt größere Schiffstypen vor, um die Ladung effektiver transportieren zu können, und der Staat muss nachziehen. Er sieht sich gezwungen, die Kanäle breiter und tiefer zu machen und die Schleusen zu verlängern. Brücken müssen komplett erneuert werden. Was man beim Mittellandkanal mit seinem hohen Verkehrsaufkommen noch nachvollziehen konnte, war bei den Seitenkanälen mit ihrem geringen Verkehr umstritten. Denkmalpfleger und Naturschützer sprachen sich in den 1980er- Jahren gegen den Ausbau der Stichkanäle aus. Es half nichts.
Der 14,5 Kilometer lange Stichkanal, der den Hafen Osnabrück mit dem Mittellandkanal verbindet, verläuft auf fünf Kilometer Länge über Wallenhorster Gebiet. Der Kanal hat für die Gemeinde Wallenhorst eine geringe wirtschaftliche Bedeutung. Umso wichtiger ist er für Freizeit und Erholung. Spaziergänger und Jogger sind zu jeder Jahreszeit auf den Pfaden unterwegs. Angler schätzen die gute Wasserqualität ebenso wie Badende. Zwei Motor-Yacht-Klubs und ein Kanu-Verein haben seit 1966 ihre Marinas in der ehemaligen Badebucht der Hollager nördlich der „Halener Brücke“ Nr. 76 angelegt. Wer nicht selbst die Kapitänsmütze aufsetzen möchte, kann sich vom Fahrgastschiff Lyra gemütlich über den Kanal schippern lassen.
Rund 50 Millionen Euro sind bislang in den Ausbau des Stichkanals einschließlich der Erneuerung von Brücken geflossen. Nach Ansicht der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung (WSV) habe es kaum eine Alternative zu den bald abgeschlossenen Maßnahmen gegeben. Dämme, Uferbefestigungen und Brücken hätten nach fast 100 Jahren das Ende ihrer technischen Lebensdauer erreicht. Sie zu erneuern, ohne gleichzeitig das Kanalprofil auf den heute herrschenden Standard aufzuweiten, wäre widersinnig gewesen.
Alle Versuche, die genieteten Stahl-Fachwerk-Brücken aus den Jahren 1910 bis 1914 als Ganzes, wenn schon nicht über dem Kanal, dann wenigstens an anderer Stelle zu erhalten, scheiterten. Der Heimatverein „Haus Hollager Hof“ setzte sich dafür ein, die alte „Barlage-Brücke“ Nr. 74 für Wanderer quer über den Schwarzen See zu legen. Auch wenn die Brücke nur noch Fußgänger hätte tragen müssen, wären die Kosten für Transport und Stahlsanierung undarstellbar hoch gewesen. Wenigstens Stummel der Brücke wurden als Reminiszenzen am Kanalufer installiert. So bleibt der Nachwelt ein kleiner Eindruck der Harmonie von Sandstein-Fassung, Natursteinpflaster und filigraner Stahlkonstruktion mit Brüstungs-Zierstäben im Jugendstil erhalten.
Drei der vier Kanalbrücken auf Wallenhorster Gebiet sind durch neue Stahlbogenbrücken nach Einheitsbauart ersetzt. Eine Nietenbrücke ist noch im Originalzustand zu bewundern, die „Maschweg-Brücke“ Nr. 75. Weil die WSV im Streit liegt mit der Gemeinde und einigen Landwirten, die den von der WSV verfügten ersatzlosen Fortfall hinnehmen wollen. Sobald die Verfügung rechtskräftig geworden ist, dürfte das letzte Stündlein der Maschwegbrücke eingeläutet sein, die damit zur „Seufzerbrücke“ der Wallenhorster geworden ist.
Weitere Seufzer lösten die Abholzungen auf der Ausbauseite des Kanals bei Wanderfreunden und Naturliebhabern aus. Der Verlust des Baumbestandes schmerzte die Wallenhorster umso mehr, als jüngst bekannt wurde, dass einer Bepflanzung des neuen Ufers aktuelle Hochwasserschutzbestimmungen entgegenstehen. Über weite Strecken gilt der Kanaldeich gleichzeitig als Hochwasserdeich der Hase. Da auf Flussdeichen nur kurzgehaltene Gräser erlaubt sind, aber keine Bäume und Büsche, dürfte der Kahlschlag wohl bis auf Weiteres Bestand behalten.
Quelle: wir für wallenhorst vom 12.6.2009