„In einer offenen Feldschlacht hätten die Germanen keine Chance gehabt!“
Glaubt man den Annalen des römischen Geschichtsschreibers Tacitus, so jährt sich das Ereignis „Varusschlacht“ nunmehr zum 2000sten Mal. Fand doch seiner Darstellung nach im Jahre 9. n.Chr. jene berühmte „Schlacht im Teutoburger Wald“ statt, die zum Untergang von drei römischen Legionen führte. Und somit die Wende in der römischen Germanienpolitik bedeutete, denn das Imperium verzichtete fortan darauf, Germanien zur Provinz zu machen. Wobei sich natürlich die Frage stellt, weshalb das Ganze nicht „Arminiusschlacht“ heißt, hätte es doch ohne den germanischen Heerführer und maßgeblichen Initiator des Widerstandes dieses weltpolitische Ereignis ja wohl kaum gegeben.
Über 5000 Funde haben die Ausgrabungen der letzten 20 Jahre ans Tageslicht gefördert, dazu detaillierte Kenntnis über das einstige Aussehen des Kalkrieser Schlachtortes. In einem spannungsreichen Bogen vermittelte die leitende Archäologin aus Kalkriese, Dr. Susanne Wilbers-Rost, den interessierten Zuhörern im „Hollager Hof“ die Ergebnisse einer mühseligen und zeitraubenden Recherche, die 1987 mit ersten Münzfunden des britischen Offiziers Major Tony Clunn begann. Wobei Münzfunde früherer Zeiten im Kalkrieser Plaggenesch bereits vor über 100 Jahren den Schluss zuließen, dass die „Schlacht im Teutoburger Wald“ wohl am Nordrand des Wiehengebirges stattgefunden haben müsse.
Für die Referentin angesichts der heutigen Beweislage keine Frage mehr. Eine besondere Rolle kommt dabei der Bodenkultivierung der letzten 2000 Jahre zu. Die Abdeckung bzw. Überbauung des Schlachtfeldes hätte zwar vieles verschüttet, damit aber gleichzeitig den Erhalt der Funde erst ermöglicht. „Ein seltenes Phänomen“, so die Archäologin, „denn Schlachtfelder, auch neuzeitliche, gibt es haufenweise. Doch nur in den seltensten Fällen gelingt deren Lokalisierung, da einfach nichts zurückbleibt. Unmittelbare Plünderung und rasche, natürliche Zersetzung an der Oberfläche sind die Ursachen“.
Nebenbei erfuhren die Zuhörer, dass nicht nur Archäologen und Althistoriker an dem riesigen Forschungsprojekt beteiligt sind, sondern auch Anthropologen, Bodenkundler, historische Deichwissenschaftler, Maultierexperten sowie Restauratoren unterschiedlichster Couleur. Mit dem Problem, dass die Vielzahl der so gewonnenen Erkenntnisse eine noch größere Zahl weiterführender Fragen aufgeworfen habe. Bei den Experten ebenso wie bei den Zuhörern, wie sich im Anschluss an den Vortrag zeigte. Eine gesicherte Erkenntnis lassen die bisherigen Ergebnisse dennoch zu: „Ohne die nadelstichartigen Überfälle aus dem Hinterhalt schon weit vor dem heutigen Ort des Geschehens durch die Germanen und der damit verbundenen fortschreitenden Auflösung des römischen Militärs wäre der Angriff anders verlaufen.
In einer offenen Feldschlacht hätten die Germanen keine Chance gehabt“. Was diesen allerdings bewußt war. Sonst hätten sie die Vorbereitungen auf diplomatischer Ebene in Verbindung mit der Auswahl des für die Römer denkbar ungünstigsten Kampfplatzes nicht so zielstrebig voranzutreiben brauchen. Vorsitzender Josef Pott bedankte sich bei Frau Wilbers-Rost für die spannenden und lehrreichen Ausführungen. Gleichzeitig nutzte er die Gunst der Stunde, den aktuellen Fragenkatalog zu erweitern. Und zwar mit einer Spekulation über die Schlachtteilnahme unserer Hollager Vorfahren. So löste er allgemeine Erheiterung aus, aber: Wer weiß?
Franz-Josef Landwehr
Quelle: Bürger-Echo 7.5.2009