Stadthafen, Erzverladebrücken. Foto: R. Lichtenberg
Die weitere Entwicklung des Hafens ist naturgemäß von der allgemeinen Wirtschaftslage, welche wiederum bis zu einem gewissen Grade von den politischen Verhältnissen beeinflusst wird, abhängig. Da der Osnabrücker Bezirk neben der gut fundierten Industrie eine gesunde Landwirtschaft aufzuweisen hat, wird auch eine absteigende Konjunkturwelle sich hier niemals so scharf auswirken, wie es in reinen Industriegebieten im allgemeinen der Fall ist. Industrie und Landwirtschaft ergänzen sich in mancherlei Hinsicht gegenseitig.
Es sind im übrigen Vorbedingungen für eine weitere Ausdehnung der meisten Industrien vorhanden; insbesondere dürfte dieses bei der Zement- und Steinindustrie auf der Grundlage natürlicher Rohstoffe der Fall sein. Also kann Osnabrück damit rechnen, dass der Hafenverkehr auch bei den heutigen Wasserstraßenverbindungen eine im allgemeinen steigende Richtung aufweisen wird. Die Lage Osnabrücks am Mittellandkanal eröffnet für die Zukunft weitere günstige Aussichten. Weil die Reststrecke des Kanals bis zur Elbe noch nicht fertiggestellt ist, konnten bisher neben den Beziehungen zu den Nordseehäfen an der Weser und der Ems nur solche mit Westdeutschland und dem hier anschließenden Ausland (Holland, Belgien, Frankreich, Schweiz) entstehen.
In wenigen Jahren tritt auch Mittel- und Ostdeutschland, ferner das östliche und südöstliche Ausland (Polen, Russland, Randstaaten, Tschechoslowakei) in den Verkehrsbereich des Hafens Osnabrück. In Mitteldeutschland sind für den Wasserstraßenverkehr besonders wichtig der Braunkohlen- und Kalibergbau und die Zuckerindustrie. Die Verbindung mit dem großen Bedarfsgebiet Berlin ist natürlich von erheblichem Vorteil. Weiter östlich kommen für den Wasserweg in westlicher Richtung landwirtschaftliche Erzeugnisse sowie Holztransporte in größerem Umfang in Frage.
Für den Absatz der Osnabrücker Industrie dürfte ein mit den Industriegebieten Berlin, Sachsen usw. zu organisierender Eildampferverkehr von Bedeutung werden. Wird schon der Großschifffahrtsweg von Westdeutschland über den Mittellandkanal nach Ostdeutschland Osnabrück vermehrten Verkehr bringen, so darf das ganz besonders von dem geplanten Hansakanal erwartet werden – stößt dieser doch in gerader Linie von Hamburg über Bremen auf Osnabrück.
Die über den größten deutschen Seehafen zur Einfuhr kommenden Kolonialwaren und sonstigen hochwertigen überseeischen Güter werden – soweit Osnabrück als Empfangsort in Frage kommt – sicher zum großen Teil auf den neuen Wasserweg übergehen, da hierbei erheblich an Fracht zu sparen sein wird. Auch ab Bremen werden auf dem gegenüber der Weser kürzeren und schnelleren Wege mehr Güter zur Verfrachtung kommen. Die Erzeugnisse der Osnabrücker Industrie sind auf dem neuen Wege teils wesentlich billiger an die Seedampfer heranzubringen, als dieses heute der Fall ist.
Hingewiesen sei noch auf die über den Hansakanal herzustellende direkte Schiffsverbindung mit dem verkehrsreichen Ostsee-Ein- und Ausfahrhafen Lübeck, welcher mit allen Ostseeländern regelmäßigen Dampferverkehr unterhält. Abgesehen von den überseeischen Interessen ist selbstverständlich auch von großer Wichtigkeit, dass die Wirtschaftsgebiete Bremen-Unterweser, Hamburg – Harburg-Altona, Lübeck usw. als solche durch den Hansakanal enger mit Osnabrück verbunden werden.
Die bisherige Entwicklung des Hafens Osnabrück ist ohne Einschränkung als gut zu bezeichnen. Die zukünftigen Aussichten berechtigen unter vorsichtiger Abwägung aller in Frage kommenden Faktoren zu der Annahme, dass die Verkehrskurve im allgemeinen durch eine stetig ansteigende Linie gekennzeichnet sein wird.
J.Thöle
Quelle: Deutschlands Städtebau, bearbeitet und herausgegeben im Einvernehmen mit dem Magistrat von Stadtbaurat Friedrich Lehmann, DARI-VERLAG Berlin-Halensee 1923
Quelle: Bürger-Echo vom 25.3.2009