Für die Zukunft gerettet

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Fachwerkhäuser lagern bis zum Wiederaufbau

Ohne dass öffentlich sonderlich Notiz davon genommen worden wäre, wurden In den vergangenen Monaten die Hausgerüste von vier baugeschichtlich interessanten bäuerlichen Fachwerkgebäuden sichergestellt. Nummeriert und sortiert lagern sie jetzt, bis sie – vielleicht in absehbarer Zeit – in einem Osnabrücker Museumsdorf wieder aufgebaut werden. Die Kotten, Scheune Arling (ältester Holzbau in Voxtrup, 1663), Kötterhaus Barlag (ältestes Haus von Hollage 1657), Wohnstallhaus Arninck/Spreen (ältestes Wohnstallhaus des Dümmergebietes, 1652) und die Scheune Astrup aus Vehrte, hat die Osnabrücker Technikerschule für Bauwesen abgerissen. Die Arbeiten leiteten Oberstudlendirektor Dipl.-Ing. Kaspar Müller, Fachlehrer Architekt Dieter Sprengelmeyer und Lehrwerkmeister Helmut Becker – sie informierten unsere Zeitung über das Vorhaben.

Nur wenige Bauern können und wollen ihre geschichtlich wertvollen alten Bauten erhalten und weiterbenutzen. Die Einsicht aber, dass es sinnvoll sein kann, solche historischen Gebäude für die Zukunft als Anschauungs- und Studienmaterial zu retten, setzt sich bei den Verantwortlichen mehr und mehr durch.
Beispiele dafür gibt es in Dänemark, besonders ausgeprägt und intensiv betrieben in der DDR – was manchen wundern mag; bekannter in unserer Gegend sind das Museumsdorf Cloppenburg, wo auch die berühmte „Wehlburg“ aus dem Kreis Bersenbrück wieder aufgebaut wird, und das Heimatdorf In Melle.

Die Rettung alter Gebäude und Höfe in Museumsdörfern hat natürlich, obwohl sie derzeit die einzige praktikable Lösung ist, erhebliche Nachteile. Die Schwierigkeiten ergeben sich unter anderem daraus, dass im Museumsdorf die ursprüngliche Zuordnung der Häuser zu Landschaft, Geländeformen, Gewässern usw. nur selten zu rekonstruieren ist, wie Kaspar Müller sagte; es müssen künstliche Umgebungen geschaffen werden, die so sinnvoll wie möglich sind.

Der Osnabrücker Raum ist, so Müller, das Kernland des alten niedersächsischen Hallenhauses; hier durchdringen sich die landschaftlich verschieden ausgeprägten Bau-und Konstruktionsformen dieses Typs. Aus dieser Tatsache schon erschließen sich für die Schüler der Technikerschule, die das Abreißen besorgen, wichtige Einsichten. Sprengelmeyer: „Das Nachgehen der statisch-konstruktiven Überlegungen, welche die alten Baumeister gehabt haben, ermöglicht es, die historische Bedeutung solcher Bauten zu begreifen und den geschichtlichen Rahmen, in den sie hineingestellt sind, zu erfassen.“

Das Abtragen der Gebäude erfolgt in drei Arbeitsgängen, die uns Dieter Sprengelmeyer beschrieb: Bauaufnahme: Unter anderem wird das Gebäude vermessen, seine Einordnung zur Himmelsrichtung und die Raumaufteilung festgestellt, hausgeschichtliche Ermittlungen werden angestellt, Fotoaufnahmen gemacht und Freihandskizzen angefertigt.
Auswertung der Bauaufnahme: Maßstabgerecht werden Grundrisse, Querschnitte und Ansichten aufgezeichnet, die Bauwerksgeschichte wird aufgeschrieben, der Bau beschrieben und die Abtragung geplant.
Abtragen des vorhandenen Gebäudes: Abtragen der Dachkonstruktion, mumerische Sicherung der vorhandenen Konstruktionselemente, Lösen der Knotenpunkte und Zerlegen der Teile nach einer Checkliste. Abtransport und Lagerung nach Arbeitsplan.

Lehrwerkmeister Becker machte auf einen weiteren Punkt aufmerksam:
Um die ursprüngliche Gestalt des Fachwerks rekonstruieren zu können – nicht wenige Gebäude wurden im Laufe der Jahrzehnte umgebaut und verbaut -, hält man sich an die alten Zimmermannszeichen (eingekerbte römische Zahlen oder Buchstaben), sowie der Bohrlöcher für Holznägel und der Zapfenlöcher.

In einem Freilichtmuseum können diese Häuser allerdings nicht vorrangig als bautechnisches Anschauungsmaterial dienen, dort müssen sie dargestellt werden als Beispiele für die Wohn- und Lebensbedingungen von Menschen. Es ist daher wichtig, betonte Müller, nach Möglichkeit auch den alten Hausrat, die Ackerbaugeräte, das bäuerliche und handwerkliche Werkzeug und auch das im Laufe der Zeit hinzugekommene technische und industrielle Gerät zu erhalten, um es im neuerrichteten Haus wieder unterbringen zu können.

Quelle: NOZ v. 04.09.1971                                          

Der Kommentar von Wendelin Zimmer