Die Zerhusenstraße erinnert an einen angesehenen Alexander-Pfarrer

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Er begleitete die Wallenhorster durch den Ersten Weltkrieg

jod WALLENHORST
Noch fast im Schatten des Alexander-Kirchturms gelegen gibt es zwischen Pyer Kirchweg und Schneidling in Alt-Wallenhorst zwei kurze Verbindungsstraßen, die beide nach ehemaligen Pfarrern benannt sind: Alfersstraße und Zerhusenstraße. Alfers stand von 1929 bis 1959 im Dienst der Alexandergemeinde, Zerhusen in den zwanzig Jahren zuvor, von 1909 bis 1929.

Die Ortsgeistlichen hatten in jenen Jahren eine sehr bedeutende Stellung im öffentlichen Leben, sie konnten mitunter mehr bewirken als der Gemeindevorsteher oder Bürgermeister. Pfarrer Zerhusen war ein angesehener Mann, sein Wort hatte Gewicht. Er begleitete die Wallenhorster durch die entbehrungsreichen Zeiten des Ersten Weltkriegs. 188-mal gehörte es zu seiner bitteren Pflicht, der angehörigen Familie die Todesnachricht eines an der Front Gefallenen zu überbringen und ihr den Trost zu spenden, der sie nicht an Gott und der Welt verzweifeln ließ. Hilflos musste er mit ansehen, wie 1917 vier der fünf Glocken aus dem Turm der Alexanderkirche zur Einschmelze abtransportiert wurden. Am Abend vor der Demontage läuteten zum letzten Mal eine Stunde lang alle fünf Glocken. „Da standen fast in allen Häusern von der Penter Egge bis zum Piesberge die Leute vor den Türen und schämten sich ihrer Tränen nicht“, heißt es in einer Chronik.

Zerhusen war ihr Seelenhirte, der die Gläubigen über das Ende des Kaiserreichs in die neue Zeit der Weimarer Republik geleitete, der ihnen auch die schreckliche Inflation von 1923 erklären musste. Beispiele wie dieses machten die Leute orientierungslos: Da war die Wallenhorsterin, die nach der Auszahlung ihrer monatlichen Witwenrente mit dem Zug nach Osnabrück fahren wollte und auf dem Bahnhof in Haien feststellen musste, dass die Rente nicht mehr zur Bezahlung der inzwischen sprunghaft verteuerten Bahnfahrkarte reichte. 1927 war es Pfarrer Zerhusen, der die Gründung eines „Katholischen Gesellenvereins Wallenhorst“ im Geiste Adolph Kolpings an regte. 35 Handwerker und vier passive Mitglieder aus den Kirchengemeinden Wallenhorst und Hollage bildeten den neuen Verein. Zerhusen ist der geistliche Gründungsvater der Kolpingsfamilie Wallenhorst, so wie er einige Jahre zuvor, 1913, auch bereits die Gründung des Katholischen Frauenbunds auf Ortsebene befördert hatte.

Bernhard Zerhusen wurde am 23. Juli 1855 in Dinklage im Oldenburger Münsterland geboren. Nach dem Abitur am Gymnasium Paulinum in Münster studierte er Theologie in Eichstätt, wo er 1880 auch zum Priester geweiht wurde. Obwohl aus der Diözese Münster stammend, suchte er seine erste priesterliche Aufgabe im Bistum Osnabrück, erste Anstellung war in Emiichheim. Auf Betreiben des Grafen von Galen, der ihn als Hauskaplan wünschte, kehrte er dann für eine Zeit in seine Heimatgemeinde Pinklage zurück. Danach übertrug ihm der Osnabrücker Bischof die Pfarrstelle in Neuarenberg (Hümmling).

1909 wurde die Pfarrstelle Wallenhorst frei, weil Dechant Carl Franksmann in das Domkapitel zu Osnabrück gewählt wurde. Bischof Hubertus Voß bestimmte Zerhusen zum Nachfolger an St. Alexander. Wie es damals üblich war, holte die Gemeinde ihn in einem großen Zug von Reitern, Wagen und Radfahrern von der Grenze der Kirchengemeinde bei den Karlsteinen im Hone ab und geleitete ihn zur feierlichen Amtseinführung in die Wallenhorster Kirche. „Er führte die Gemeinde mit viel Liebe und einem weiten priesterlichen Herzen durch die Nöte der Zeit“, schreibt der Chronist.

Zerhusen  pflegte  seine Pfarrkinder mit dem Vornamen und dem persönlichen Du anzusprechen. Bald stand er, wie sein Vorgänger, als Dechant an der Spitze des Dekanats Vörden. 1922 musste er den größten Teil der Hollager Gemeindeglieder verabschieden, weil sie in die neu gegründete Josefsgemeinde abgepfarrt wurden. Er empfand das als schmerzlich, akzeptierte es gleichwohl als den unvermeidlichen Gang der Dinge. Dass in der kleiner gewordenen Gemeinde in der Sonntagsmesse  gleichwohl keine Kirchenbänke leer blieben, wird der angesehenen Persönlichkeit Zerhusens zu geschrieben. Nach kurzer Krankheit verstarb er 74-jährig am 29. Juli 1929 im Marienhospital zu Osnabrück.

von Joachim Dierks

Quelle: NOZ vom 7.5.2016