„Auf gut Deutsch“

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„Auf gut Deutsch“, statt der „verderbten Amerikanismen“

Vorweihnachtliche Lesung mit Ludger Hellermann am 2. Dezember

„Sich Bilder im Kopf machen, anstatt jegliche Phantasie durch Fernsehkonsum zu unterdrücken“!

Gleich zu Beginn ließ Ludger Hellermann keinen Zweifel an seiner persönlichen Präferenz und lud die über 50 Zuhörer im festlich – vorweihnachtlich hergerichteten Heimathaus zu einer Reise durch zweihundert Jahre deutscher Literatur.

So bot die geographische Nähe zu Kalkriese den Rahmen, mit der politischen Satire eines Heinrich Heine den Abend zu eröffnen- „Hier schlug ihn der Cheruskerfürst, der Hermann, der edle Recke; die deutsche Nationalität, die siegte in diesem Drecke. Wenn Hermann nicht die Schlacht gewonnen – mit seinen blonden Horden, so gab es deutsche Freiheit nicht mehr, wir wären römisch geworden“- um gleich darauf mit Ringelnatz „in und hinter die Dinge zu schauen“: „wenn man auf das zarte Näschen von seiner Braut, mit einem Vergrößerungsglas schaut, dann sieht man Büsche von Haare drauf, dass einem graut“.

Überhaupt: Ringelnatz wurde häufig zitiert an diesem Abend, der Mann, „den die Nazis ausgehungert haben“, so dass er nach seinem frühen Tode durch eine Lungenentzündung „kaum mehr als ein Spatz“ wog: „Spring nicht über Schranken, die höher als Du selber sind; vergiß nicht wie ein Kind, jeden Tag zu Danken“. Seelenverwandtschaft?

Ganz anders dagegen Lessing: „Heraus mit dem Wort wenn es wahr ist, herab mit dem Trunk wenn er klar ist“, oder Tucholsky, der ebenso wie Heine und Rilke eine Zeit in Paris verbrachte: „hier darf ich Mensch sein, und nicht nur Zivilist“. Dies 1924, fast drei Generationen nach Heine.
Nach der Pause, in der die Zuhörer bei einem Gläschen Rotwein und Weihnachtsgebäck zu einem lebhaften Gedankenaustausch kamen, setzte Hellermann seine Literaturauswahl fort im Hinblick auf Weihnachten, besinnlicher, weniger politisch.

Mutterliebe und Selbsthingabe im „Nis Randers“ von Otto Ernst, heute nur noch in älteren Bänden zu finden, dann „Archibald Douglas“ von Theodor Fontane: „der ist in tiefster Seele treu, der die Heimat so liebt wie du“.
Den meisten wohl unbekannt, aber nicht weniger tiefgründig – Strittmatter aus der DDR: „die guten Dinge sind alle kostenlos: Luft, Wasser, Liebe“ oder: „das Leben wird dem sehr zur Last, der es zu leicht auffasst“. Zum Schluß dann wiederum Ringelnatz, der die ewige Sehnsucht des Menschen nach Geborgenheit gerade zu Weihnachten, „der einzigen Zeit, in der wir unfeindlich sind“, in dem Seemann „Kaddel Daddel Du“ lebendig werden lässt. Kaddel, ohne Familie, der sich ein bisschen Zwischenmenschlichkeit in einer Hafenkneipe erkaufen will, und doch nur betrogen wird. Und hochaktuell wie jedes Jahr – Weihnachten und Geschenke:“Schenke groß oder klein, aber immer gediegen, dass beim Betrachten, sei dein Gewissen rein“.

Dass gerade diese Texte ihre Wirkung nicht verfehlten, war der gebannt lauschenden Zuhörerschaft anzusehen – die berühmte Stecknadel hätte man fallen hören können. Kräftiger Beifall zum Schluß belohnte den Interpreten und gab ihm Gewissheit, dem ihm unbekannten Publikum ein passendes Format geboten zu haben.
Dank an Ludger Hellermann, dessen Engagement und sprachliche Dynamik von einer Zuhörerin begeistert kommentiert wurde: „Schöner als selbst zu lesen“. Angesichts dieses Erfolges soll in Zukunft ein Leseabend zu einer festen jährlichen Veranstaltung im Heimathaus werden.
Gedankt sei an dieser Stelle auch den Mitgliedern, Freunden, Förderern, Besuchern und Nutzern des „Hollager Hofes“ für Ihr vielfältiges Engagement in diesem Jahr. Allen eine schöne Advents- und Weihnachtszeit.

Bereits jetzt sei auf das Jubiläumsjahr 2006 hingewiesen. Es beginnt am 27. Januar mit dem Neujahrsempfang anlässlich des Jubiläums „350 Jahre Heimathaus“. Dr. Ernst Segschneider hält einen Lichtbildervortrag: „Leben in einem Bauernhaus des 17. Jahrhunderts“.

Am Sonntag, 25. Juni 2006 findet die eigentliche Jubiläumsfeier „Rund um das Heimathaus“ statt. 

s.a. NOZ v. 02.12.2005