300 Jahre in Hollage

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Trotz des warmen Sommer-Wetters konnte Hausherr Reinhard Kruithoff  über 30 Besucher des gestrigen historischen Vortragsabends auf der Diele des Heimathauses begrüßen. „Nein, das gute und warme Wetter haben die Zuhörer heute nicht mitgebracht“, stelle der Referent Franz-Joseph Hawighorst klar, „das war schon vorher da“.  Es sollte ein Blick in die Vergangenheit werden, den der Historiker Hawighorst für seine Zuhörerschaft öffnete. Als Ankerpositionen hatte er  6 Personen aus der Historie des 17. bis 20. Jahrhunderts ausgewählt, die  das Leben hier vor Ort in irgendeiner Weise beeinflusst haben oder aus dem Ort kamen.

Geschickt verknüpfte Hawighorst die politischen und auch  religiösen Verhältnisse zu Zeiten der 6 Protagonisten und machte es dadurch möglich, deren Bedeutung wie unter einer Lupe deutlich zu erkennen.

Er begann mit dem Augsburger Reichs- und Religionsfrieden von 1555, der nicht nur die längste friedliche Zeit im damaligen „Europa“ einläutete, sondern auch festlegte, dass die Reichsfürsten die Religionszugehörigkeit ihrer Untertanen bestimmten.  Man war damals also mal Protestant und beim Wechsel des Landesfürsten auch wieder Katholik. Damals gab es durchaus Geistliche, die wechselweise beide Religionszugehörigkeiten praktizierten.

Als 1648 der Westfälische Friedensschluss den 30-jährigen Krieg beendete, wurde die Religionszugehörigkeit danach geregelt, welche der örtliche Geistliche im Jahr 1624 ausübte. Also eine Stichtagsbetrachtung. Hier kam Pastor Rölker ins Spiel, ein Zeitgenosse, der nicht unbedingt vorbildlich auftrat. Er hatte mit seiner Konkubine 6 Kinder und da er 1648 schon nicht mehr lebte, und  man sich nicht einig war, wurde höheren Ortes entschieden, dass Rölker im Jahr 1624 den katholischen Glauben vertrat. So blieb das Kirchspiel  Wallenhorst katholisch, es hätte aber auch anders kommen können.

Dr. Friedrich Franksmann kam als junger Geistlicher nach Wallenhorst, und erkannte, dass die alte Alexanderkirche, die über 1000 Jahre als Gotteshaus für das Kirchspiel Wallenhorst diente, zu klein war. Er initiierte einen Neuanfang  Wallenhorsts  mit einem Kirchenneubau auf dem Bockholt. Dieser Prozess, den Franksmann weitsichtig anging, führte 1852 zu einem Beschluss zum Neubau, aber es dauerte etwa 30 Jahre bis zum Baubeginn und Historiker Hawighorst merkte an, das könne wohl als Beginn der Zentrumsdiskussion in Wallenhorst gelten. Es ging um nicht weniger als die Verlegung des Lebensmittelpunktes „Altes Dorf“ ins neue Wallenhorst rund um den Bockholt. Dem sind, bis auf die Höfe, nahezu alle gefolgt. Damit hatte Pfarrer Franksmann  damals entscheidende Schritte eingeleitet.

Ebenfalls im 19. Jahrhundert prägte Johann Rudolf Pagenstecher das Leben der Menschen in Hollage, weil er als weitsichtiger Geschäftsmann den Bergbau am Piesberg in Schwung brachte und damit Arbeitsplätze auch  für Hollager. Hawighorst vermittelte ein anschauliches Bild über das Leben und Wirken Pagenstechers, der sich weitsichtig auch für neue Düngemethoden in der Landwirtschaft engagierte und nicht nur die Lechtingen Mühle, sondern auch eine Schule für nicht konfessionsgebundenen Unterricht schuf.

Bernhard Egbers war ab 1875 für 49 Jahre Lehrer an der Hollager Volksschule und hat neben der schulischen Ausbildung der Jugend auch das gesamte soziale und gesellschaftliche Leben in Hollage beeinflusst. Auf seine Initiative gehen u.a. der MGV Gemütlichkeit und der Kirchenbau der Josefskirche zurück. Eine Straße im Hollager Zentrum ist nach ihm benannt..

Zum Kreis der ausgewählten Personen der Vergangenheit gehört auch Pastor Lichtenbäumer, der sich als Kirchenmann für die katastrophalen Probleme der Flüchtlingsfamilien in Hollage nach 1945 einsetzte. Gegen den Willen der damaligen Gemeindevertreter, die ein Aussitzen der Probleme bevorzugten, aber mit Rückendeckung  der für den Kreis zuständigen Vertreter, beschaffte er Grund und Boden für die „Siedler“ und ließ mit großer Öffentlichkeitswirkung eine „schwarze Grundsteinlegungen“ im Beisein des Bischofs und der Baudirektoren aus Osnabrück vornehmen.  Über 1000 Hollager Bürger sollen dabei gewesen sein, also eine Abstimmung mit den Füßen. Die Gemeindevertreter haben danach einen Genehmigungsbeschluss gefasst.

Zum Schluss trug Historiker Hawighorst über einen Mann namens Georg Budke vor, der zwar in der Nassen Heide zum Anfang des 20. Jahrhunderts  in kleinen Verhältnissen geboren wurde, seine  berufliche Weiterentwicklung aber im Rheinland verwirklichte. Er war u.a. als Gewerkschafter  und Publizist tätig und wurde unter den Nationalsozialisten kaltgestellt. Hawighorst ist sich sicher, dass er auch dem Kölner-Kreis im Widerstand nahe stand. Nach 1945 war er dann in NRW in diversen Unternehmen leitend und auch in der Politik tätig. Nur wenigen ist bekannt, dass er ein Sohn Hollages ist.

Franz Josef Hawighorst bettete die Schicksale und Aktivitäten seiner ausgewählten 6 Personen kurzweilig in die begleitenden Handlungsstränge der jeweiligen Zeit ein und würzte sie mit Zitaten und Erklärungen, so dass seine Zuhörer sich immer mitten im Geschehen wähnten. Dafür herzlichen Dank. Nach gut zwei Stunden, nur unterbrochen durch eine kurze „Trinkpause“ , konnte man – speziell informiert – bei  immer noch milden Temperaturen den Heimweg antreten.