– Erinnerung an ein Stück Ortsgeschichte –
Es geschah im zu Ende gehenden Jahr 2024 am Tag vor Heiligabend. Auf dem Josefsplatz in Hollage hatten sich viele Menschen mehr oder weniger zufällig versammelt. Sie beobachten, wie Menschen mit Kettensägen, unterstützt von einem großen Krahn, der mächtigen Eiche vor den Hochhäusern an der Adenauerallee ein Ende bereiteten. Die Eiche als Naturdenkmal verkörperte ein Stück Zeit- und Ortsgeschichte.

Die Eiche war möglicherweise nicht so alt, wie sie nach groben Schätzungen mancher Heimatfreunde hätte sein können. Ich gehe zur Vereinfachung davon aus, dass sie einen Zeitraum von 2 Jahrhunderten Ortsgeschichte dokumentierte, vielleicht auch ein wenig mehr. Im Mittelpunkt der Bauerschaft Hollage gab es vor zweihundert Jahren die Vollerbenhöfe Bergmann, Remme zu Pfiestel, Witte und Wulftange und den etwas jüngeren Erbkötterhof Schlüter.
Der Hof Wulftange hatte viele Jahrhunderte seinen Standort dort, wo heute die Boeckerstraße in die Egbersstraße mündet. Der alte Hof Remme zu Pfiestel, der später nach seinem Verkauf zum Hof „Meyer zu Bergsten“ werden sollte, befand sich östlich hiervon am Kirchweg der Pfiesteler, der heutigen Fiesteler Straße. Das Gebiet, dass heute von der Hollager Straße, der Egbersstraße, der Fiesteler Straße und der Adenauerallee begrenzt wird, war noch unbesiedelt, auch die Familie Strößner mit Gasthof und Bäckerei war noch nicht vorhanden.
Die spätere Strößnersche Fläche nutzte Remme zu Pfiestel als Garten. Das östlich angrenzende Grundstück, das bis an die Eschflächen der Pfiesteler Höfe reichte, nutzte Wulftange in der westlichen Hälfte als Garten und in der östlichen Hälfte als Wald. Ein Garten war auf den Höfen in dieser Zeit aber keine mit Blumen bestandene Erholungsfläche. Wir erinnern an eine Zeit, in der es in Orten wie Hollage noch keinen Einzelhandel zum Einkauf von Lebensmittel gab. Obst und Gemüse wurden in den eigenen Gärten angepflanzt und geerntet. Unsere Vorfahren waren Selbstversorger.

In den 1860er Jahren wurde die alte Hofstelle von Wulftange durch einen Brand vernichtet. Der junge Bauer Johann Heinrich, der 1863 geheiratet hatte, beschloss den Neuaufbau außerhalb der alten Hofstelle unmittelbar neben dem eigenen Ackerland, dort wo bislang noch Wald war und der Hof Gartenland hatte. Am Rande der neuen Hofstelle wurden Bäume, insbesondere Eichen erhalten.
Sein Sohn Heinrich war von 1920 bis 1931 Vorsteher in Hollage, in dieser Zeit war auf dem Hof auch das Gemeindebüro. Für die Verwaltungsarbeiten der Gemeinde war hier der spätere Gemeindedirektor Josef Rust zuständig. Nahe dem Eingang stand eine der aus dem alten Bestand erhaltenen Eichen. Gegenüber der Hofstelle entwickelte sich in den 1920er Jahren mit dem Bau der Kirche das Hollager Dorf. Die mächtige Eiche nahe dem Eingang zum Hof war für die Kirchgänger ein dominierender Blickpunkt im Ort.

Der Hof Wulftange hatte an seinem alten Platz viele Jahrhunderte gestanden, bevor der „Rote Hahn“ in den 1860er Jahren für die Veränderung sorgte. Dem neuen Standort war nur ein Jahrhundert beschieden.
Am 1. Juli 1965 löste frisch eingelagertes Heu einen Brand aus. Die Feuerwehren bekämpften stundenlang das Feuer, am Ende stand auf der Hofstelle eine Ruine. Für Bauer Heinrich Wulftange war zunächst der Aufbau am alter Stelle das Ziel. Für die Gemeinde Hollage ging es darum, durch eine Hofaussiedlung eine Entwicklung von Wohnbebauung und Einzelhandel mitten im Ort planen zu können. Als in den 1860er Jahren der Neuaufbau des Hofes nach dem Brand anstand, da entschied nur der Bauer mit seiner Familie, wo er neu baute. Für die regelmäßig tagende Gemeindeversammlung war dies kein Thema. Anders war dies in den 1960er Jahren. Die „Verhinderung“ des Neuaufbaus an alter Stelle und die Planung eines Ortszentrums beschäftigte die Gemeinderatsmitglieder viele Jahre.
Ende der 60er Jahre war für die Hoffläche der Bebauungsplan „Ortsmittelpunkt“ aufgestellt, die Hofstelle wurde nach vielen Verhandlungen von der Gemeinde erworben. Aber erst in den 70er Jahren nach der Gebietsreform konnte die Hollager Zentrumsbebauung realisiert werden. Bei der Räumung des Grundstücks musste auch der alte Baumbestand weichen. Lediglich die Eiche an der Adenauerallee konnte erhalten werden. Sie sollte dort noch 5 Jahrzehnte Teil des Ortsbildes sein.
Wer noch mehr über diese Ortsentwicklung von Hollage lesen möchte, dem sei der Beitrag „Wie aus der Hofstelle Wulftange das Ortszentrum Hollage wurde“ in Band 2 der „Wallenhorster Geschichten“ empfohlen. Band 2 ist im Schreibwarengeschäft Vornholt erhältlich.
Franz-Joseph Hawighorst