Texte, die auf der Zunge zergehen

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Schauspielerin Helga Reichert unterhielt beim Heimspiel

iza WALLENHORST. 
Die „(zweit-)schönste Sache der Welt“ beschäftigte die Schauspielerin Helga Reichert bei ihrer Lesung im Heimathaus Hollager Hof. „Gaumenfreuden, eine Lesung mit Texten, die auf der Zunge zergehen“ lautete der Titel der eineinhalb Stunden langen Veranstaltung, bei der sich rund 70 Zuhörer einen gewaltigen Appetit holten.

Sie war angetreten, „die Welt durch die Bratröhre zu betrachten“, und brachte dabei ihre Zuhörer auf den Geschmack. Die Schauspielerin mit Wohnort in Köln ist ein echtes Hollager Mädel, das mit dem selbst zusammengestellten Programm in seine Heimat zurückgekehrt war. Monatelang hat sie im Fundus der Literatur gestöbert und Autoren auf ihre „Küchenverwertbarkeit“ geprüft.

Und siehe da, aus alten Märchen und Legenden, aus Texten von Wilhelm Busch, Kurt Tucholsky, Loriot und vielen anderen hatte sie eine Rezeptur gefunden, die sie, mundgerecht verpackt, in leckeren Häppchen servierte.Köstlich allein schon ihre Kategorisierung verschiedener Essertypen: Sie zerlegte mit spitzem Besteck den rationalen Frühstücker, den kreativen, den methodischen, und ihr Publikum dankte ihr für die gewürzte Analyse mit viel Applaus.  Lacher und Staunen gab’s auch für Jean Pauls Bericht über die Essgewohnheiten des Dichterkollegen  Goethe.  Kiloweise Fleisch, Kaviar und Artischocken habe der Titan pro Tag verschlungen. Und dazu drei Liter Wein gesüffelt. „Andere schlafen ihren Rausch aus, meiner steht auf Papier“, habe Goethe die Vorhaltungen kommentiert.

Reicherts lockeres Soufflé enthielt Zitate, Anekdoten, Dichterworte und Welterkenntnis. Wie die des Mannes, dessen gebuttertes Brot vom Tisch gefallen und nicht auf die bestrichene Seite gefallen war. Erst ein bedeutender Weiser habe dies erklären können: „Nicht ein Wunder war, du hast das Brot nur von der falschen Seite bestrichen.“

Am Ende war es ein delikates, duftendes und durch und durch appetitliches Menü, das da im Hollager Hof serviert worden war. Und zum Finale gab die Künstlerin ihren Zuhörern noch Folgen des mit auf den Weg: „Rede, was wahr ist, iss, was gar ist, trink, was klar ist.“

Quelle: NOZ April 2008