Der Brand des Hofes Wulftange 1965 hatte die Zentrumsentwicklung in Hollage zur Folge
Die Ruine des Hofs Wulftange nach dem Brand 1965. Foto: Familienarchiv Wulftange
Es gibt den neuen Hof Wulftange (Ziegeleistraße 14), es gab den mittelalten (an der heutigen Adenauerallee) und den ganz alten Hof Wulftange (an der heutigen Egbersstraße). Hier geht es um den verschwundenen mittelalten Hof, weil auf seinem Grund und Boden die heutige Zentrumsbebauung entstand.
Von Joachim Dierks
Wallenhorst Nur zur Einordnung: Die älteste Hofstelle Wulftange lag an der heutigen Egbersstraße südlich des Hollager Friedhofs. Ein Nebengebäude davon hat überlebt: das so etwas merkwürdig schräg zur Straßenflucht stehende Wohnhaus Egbersstraße 9. Um 1865 wurde Heinrich Wulftange, dem Großvater des heutigen Seniors gleichen Vornamens, eine Umsiedlung nahegelegt. Denn im Siedlungskern der Bauerschaft Fiestel wurde es zu eng. Weiter östlich auf dem zum Hof gehörigen Land war noch genug Freiraum, der zudem näher an seinen wertvollsten Ackerflächen im Fiesteler Esch lag. So kam es, dass der Bauer sich 1865/66 einen neuen Hof an der heutigen Adenauerallee errichten ließ, etwa gegenüber der Stelle, an der 1922 die Josefskirche entstand. Die Grundstücke für die Josefskirche wie auch für den Hollager Friedhof hatten die Wulftanges übrigens der Kirchgemeinde gestiftet.
Der heutige Senior Heinrich Wulftange ist auf dem später abgebrannten Hof geboren und hat noch lebhafte Erinnerungen an die alten Zeiten. Er nimmt ein gerahmtes Foto von der Wand, das in leicht kitschigen, weil nachträglich hinzugefügten Farben den stattlichen Hof etwas versteckt hinter zahlreichen Obstbäumen zeigt. Am rechten Bildrand erkennt man eine Eiche, die den Hofgiebel deutlich überragt. „Verschiedentlich liest man, das sei die Hofeiche gewesen, aber das kann nicht stimmen“, ist sich Wulftange sicher, denn der Baum sei wesentlich älter als der Hof. Andererseits zweifelt er auch die Altersangabe „fast 600 Jahre“ an, die auf der vergangenen Herbst aufgestellten Info-Tafel am Josefsplatz zu lesen ist, die sei zu hoch gegriffen. Wie dem auch sei, dass es sich um einen der ältesten Bäume auf dem Gebiet der Gemeinde handelt, dürfte unbestritten sein. Der Heimat-, Kultur- und Wanderverein „Hollager Hof“ hält ihn für ortsbildprägend und hat sich daher stets vehement für seinen Erhalt eingesetzt.
Für den Neubau der Hochhäuser entlang der Adenauerallee musste der Baum einen Teil seines Wurzelwerks lassen. Auch nicht gut bekam ihm, dass mit dem Bau der Straße Boden aufgefüllt wurde und den untersten Meter des Stammes abdeckte. 2011 zeigten sich einige abgestorbene Äste. Ein Gutachter wurde bestellt, ein Fachbetrieb ergriff Rettungsmaßnahmen. Sieben Vegetationskreisläufe sind seitdem vergangen, ohne dass der Zustand des Baums sich erkennbar verschlechtert hätte. „Man darf also hoffen, dass die Eiche als Erinnerungsposten an unseren alten Hof noch einige Zeit erhalten bleibt“, meint Wulftange.
Der Ortshistoriker Franz-Joseph Hawighorst hat im Band 2 der „Wallenhorster Geschichten“ die Folgen des Hofbrandes von 1965 eingehend beschrieben. „Brennende Höfe, das hatte es schon oft gegeben“, schreibt er, „doch beim Brand des Wulftange-Hofes war alles anders als sonst.“ Der Brand habe den Weg dafür geebnet, aus der bäuerlichen Ortsmitte mit den Hofstellen Bergmann, Witte, Remme zu Fiestel und Wulftange ein „modernes Hollage“ erwachsen zu lassen.
Es fehlten mitten im Ort Bauland und zeitgerechte Einkaufsmöglichkeiten. Und dafür waren die 10.000 Quadratmeter des Hofes zwischen Kirche, Schule und den Gasthäusern Barlag und Strößner gerade recht. Deswegen beschäftigten sich in den Tagen nach dem Brand auch die Verantwortlichen der Gemeinde um Bürgermeister Hubert Otte und Gemeindedirektor Hugo Pott mit der Frage, ob der Wiederaufbau des Hofes an alter Stelle oder außerhalb des Dorfes für Hollage die bessere Entscheidung sei. Heinrich Wulftange, der Vater des heutigen Seniors, wollte so schnell wie möglich den Hof an seinem alten Platz neu aufbauen. Der Hollager Gemeinderat beschloss jedoch, den Wiederaufbau zu verhindern und dem Hofbesitzer die Möglichkeit der Aussiedlung zu recht attraktiven Bedingungen zu bieten. Zähe Verhandlungen folgten. Im März 1967 einigten sich Gemeinde und Hofbesitzer, den Hof zur Ziegeleistraße auszusiedeln. Bis der im Frühjahr 1968 bezugsfertig war, wohnte die Familie sehr provisorisch in der Scheune auf der alten Hofstelle.
1968 war der Weg frei, auf der alten Hofstelle für Hollage ein Zentrum zu planen und zu bauen. Vier weitere Jahre gingen ins Land. 1972 wurde mit dem Bau der Hochhäuser an der Adenauerallee begonnen, 1976 folgten die Geschäftszeile an der Hollager Straße und die Reihenhäuser im Innern des Gebietes zwischen Hollager und Fiesteler Straße, 1978 die Reihenhäuser bis zur Bismarckstraße und in den 80er-Jahren der Markt am Josefsplatz, der die Einkaufsmöglichkeiten mitten im Hollager Ort vervollständigte. 1979 siedelte der Nachbarhof Meyer zu Bergsten aus, hier entstand die Siedlung Hermann-Ehlers-Straße/Theodor-Heuss-Straße. All das wäre in dieser Form und Abfolge wohl nicht möglich gewesen, wenn nicht der Brand von 1965 als Beschleuniger gewirkt hätte.
Verschwundene Orte : Diese Serie führt uns zu verschwundenen Orten in der Großgemeinde Wallenhorst, die einst bedeutend waren, über die die Zeit aber hinweggegangen ist. Teils sind trotz Verfalls oder Abbruchs noch Spuren aufzufinden, teils hat eine Neubebauung nichts als die Erinnerung bei älteren Mitbürgern übrig gelassen.
zur Sache:
Der Hofbrand
Der 1. Juli 1965 war ein heißer Sommertag. Aus den Dachluken des Hollager Kirchturms wehten noch fröhlich die Fahnen, denn am Vormittag hatte Weihbischof Johannes von Rudloff eine große Anzahl Jugendlicher gefirmt. Es war Feierabendstimmung im Dorf. Doch plötzlich ertönte die Sirene: Dichter Qualm in der Ortsmitte, direkt gegenüber der Kirche. Die Männer der Freiwilligen Feuerwehr waren gerade auf dem Rückweg von einem anderen, kleineren Einsatz. Da erreichte sie der erneute Alarm. Als die Löschfahrzeuge neben der Kirche in die heutige Adenauerallee einbogen, hörten sie den Knall einer Verpuffung und sahen, wie in Sekundenbruchteilen der gesamte Dachstuhl des Hauptgebäudes des Hofes Wulftange in Flammen stand. So schnell war die Feuerwehr noch nie an einem Brandort gewesen. Aber das nützte nicht viel, das Hauptgebäude war verloren. Der Brand war auf dem Dachboden durch Selbstentzündung des frisch eingelagerten Heus entstanden. Helfer schleppten an Hausrat in die Kirche, was aus den brennenden Wohnräumen noch zu retten war. Riesige Heumengen bedeckten den Boden der Brandruine und steckten trotz erheblichen Löschwassereinsatzes noch immer voller Glutnester. Hollager Landwirte fanden sich bereit, am nächsten Morgen das qualmende Heu in eine der vielen in der Landschaft vorhandenen Schuttkuhlen zu fahren und es somit unschädlich zu machen. Dieser Großbrand sollte Hollage verändern, auch wenn das zunächst noch niemand ahnte.